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Kurt Krömer stellt seinen Konfrontations-Talk „Chez Krömer“ ein Schluss mit lustig

Am Ende suchte er Freunde statt Gegner: Kurt Krömer stellt seinen Konfrontations-Talk „Chez Krömer“ ein. Ein Nachruf

Von Christian Eger 07.12.2022, 15:15
Der launige Vernehmer: Kurt Krömer vor dem  Verhörraum seiner Talkshow „Chez Krömer“
Der launige Vernehmer: Kurt Krömer vor dem Verhörraum seiner Talkshow „Chez Krömer“ (Foto: RBB/Daniel Porsdorf)

HALLE/MZ - Es ist ein Jammer: Deutschlands überraschendste, lustigste und am meisten anarchische Fernsehsendung stellt ihr Erscheinen ein. Es ist, als ginge im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Lichtlein aus. Soll es jetzt nur noch das geben: Ansage-Fernsehen, Quiz-Shows und belehrenden Klassensprecher-Humor?

Es war ein Tod zur besten Sende-, aber nicht zur besten Jahreszeit: Mitten im Advent! Am Montagabend drang überall hin die Meldung durch: Schluss mit lustig! Kurt Krömer schmeißt hin. So schnell kommt er nicht wieder, jedenfalls nicht mit seiner RBB-Talkshow „Chez Krömer“.

Dass da etwas geschehen könnte, war seit einer Woche klar. Seit sich Kurt Krömer in seiner nunmehr letzten, bereits vorab in der Mediathek verfügbaren Sendung das erste Mal sichtbar quälte, das erste Mal langweilte. Als der 48-jährige Berliner Komiker zeigte, dass das, was er da machte, mit ihm nichts Gutes mehr machte. Dass er vor laufender Kamera die Lust verlor – und die Sendung abbrach: vier Minuten vor Schluss.

Es war nicht allein die Unlust auf den nunmehr letzten Gast, den deutsch-afghanischen Comedian Faisal Kawusi, der mit einem abgründigen Online-Kommentar zu K.o.-Tropfen seine Sat.1-Karriere verspielt hatte. Ein Mann, der auf Kritik an seiner Person gern wie ein Kind reagiert: Aber der hat doch auch! Oder du? Hast du denn nie? Es war für Kurt Krömer auch das Ende des Konzepts Konfrontations-Talk, für den die immer ernstere Öffentlichkeit immer weniger Geduld aufbringt.

Ist der Ruf erst ruiniert

Einer Person die Maske vom Gesicht zu reißen, auf dass ein guter oder schlechter Mensch sichtbar werde, das war das Konzept der Sendung, die im September 2019 an den Start ging. Sieben Staffeln, 41 Sendungen insgesamt.

„Chez Krömer“, das heißt: Bei Krömer. Und das hieß: Teilnahme auf eigene Gefahr. Ein Verhörraum, in dem die Gespräche stattfanden. Davor ein Schreibtisch, von dem aus Krömer zu Beginn seinen Gast vorstellte – stets eingeleitet mit der Formel: „Da wollen wir mal sehen, was uns die Katze vor die Tür gelegt hat.“

Tatsächlich war Krömer die Katze, die Gäste waren die Mäuse, die aber wussten, was sie taten. Ist der Ruf erst ruiniert, ging es zu Krömer ungeniert. Vor allem machten hier Prominente das Rennen, die wenig zu verlieren, aber vielleicht noch etwas Aufmerksamkeit zu gewinnen hatten: der Motivationstrainer Jürgen Höller, der Ost-Politiker Günther Krause, der Bordellbesitzer Marcus Prinz von Anhalt, die Ex-AfD-Chefin Frauke Petry. Kampf vor der Kamera war das Versprechen.

Nun bleibt die Kawusi-Sendung die letzte Show aus der Zelle. Eine Sendung, die man besser von ihrem Ende her sieht. Denn es ist der Moment des Abbruches, der diese Show zum Ereignis macht. Man kennt das: Wenn sich eine Person, die man immerhin als Gegner ernst nahm, als überschätzt entpuppt. Wenn eine unterstellte Autorität sich in Luft auflöst. In solchen Momenten tut sich eine Leere auf. Es ist die Leere, in die Kurt Krömer stürzte. Er hatte hier auf nichts mehr Lust.

„Die Fragen stelle icke“

Krömer verließ die Sendung auf dem Höhepunkt ihres Erfolges. Längst wurde sie mit einer Ernsthaftigkeit beobachtet wie die Talkshows von Will oder Lanz. Als Kurt Krömer im November den ehemaligen „Bild“-Chef Julian Reichelt zu Gast hatte, schaute das große Feuilleton zu. Kann man so freihändig fragen, fragten die nicht-satirischen Medien. Kommt man so zu einer Antwort? Leicht gesagt, wenn man die harte öffentliche Nachfrage immer öfter den Komikern überlässt.

Krömer ist oft vorgeworfen worden, dass er sich nicht für die Antworten seiner Gäste interessiere. In der Tat: Es kam nicht auf die Antworten, sondern auf die Fragen an, die Krömer aus einem Hefter ablas: „Die Fragen stelle icke!“ Es galt, was die politische Journalistin Tissy Bruns einmal über ihr Gewerbe sagte, „dass in der Frage selbst oft der wichtigste Ertrag liegt: Es kommt darauf an, sie wirklich zu stellen.“ Und Krömer fragte.

Eine Performance, in der der Komiker seine Gäste – und Zuschauer! – an die Schmerzgrenze führte. Aber am Ende wusste jeder Beobachter, mit wem er es bei dem im Verhörraum ausgesetzten Menschen zu tun hatte.

Hier waren freilich immer öfter die freundlichen Zeitgenossen anzutreffen. Seit Ende 2020 zeigte Krömer mehr Lust auf Umarmung als auf Kontroverse. Er wollte heraus aus seiner Kunstfigur und den Menschen Alexander Bojcan freilassen, der – freilich unter seinem Künstlernamen – im Frühjahr einen Bestseller über seine Depressionen veröffentlichte. Die Komiker Teddy Teclebrhan und Torsten Sträter, der Arzt und Autor Jakob Hein: Sie kamen als Freunde in die Zelle.

Nun ist Schluss. Keine Musik mehr, keine Zigarette davor, kein Ruckeln an den Zellenschlössern. Wieder verschwindet ein abenteuerliches Stück Fernsehen. Auf Instagram zeigt sich Kurt Krömer mit Pistole: „Ich habe die Katze erschossen. Lasst uns Freunde bleiben und keine Arschlöcher. Au revoir und Love, Habibis.“