Rockmusik aus Halle „Hâdzen“ setzen auf „Seele und Dynamik“
Rockmusik, die in Trance versetzen kann: Die junge hallesche Band „Hâdzen“ sucht den Sprung in die weite Welt. Jetzt stellt sie ihr Debütalbum „Revolution Swamp“ im Objekt 5 vor.
Halle/MZ. - Erdig und wunderbar dreckig, psychedelisch, euphorisch und verträumt. Hört man sich das Album „Revolution Swamp“ der Band „Hâdzen“ an, trifft man auf treibende Gitarrenriffs, auf pulsierenden Funk und melodische Passagen, die in Trance versetzen können. Rock der alten Schule und moderne sphärische Klänge. Es klingt, als hätte sich ein Sechzigjähriger mit langem Haar und Schrammelgitarre mit den technischen Spielereien seines Enkels zusammengetan. Vergangenheit trifft Gegenwart.
Handwerk mit Magie
Und der Eindruck täuscht nicht. Ein Anruf beim Sänger und Gitarristen Jeremy Gabrysch, der 1997 in Halle geboren wurde und heute in einer Dachgeschosswohnung bei seinen Großeltern in Dößel bei Wettin-Löbejün wohnt, bringt Aufklärung. Gabrysch, der sich in Mittweida zum Medien- und Akustikingenieur ausbilden lässt, hat in seinen Privatgemächern ein Tonstudio aufgebaut. In Dößel entfällt die Last der Miete, volle Konzentration auf die Musik. „Als ich noch in Halle gewohnt habe, musste ich mich durch Mini-Jobs finanzieren. Ich funktioniere aber nur gut, wenn ich wenig Input habe“, erzählt Gabrysch, der zusammen mit Charles Csongar, Tyl Fiedler und Susanne Horka als „Hâdzen“ unterwegs ist.
Gabrysch und die Musikgeschichte. Der Opa, der eine Dachdecker-Firma leitete, war es, der ihn mit Rockbands wie „Deep Purple“, „The Sweet“, „Creedence Clearwater Revival“ oder „Golden Earring“ in Verbindung brachte. Dem Musiker gelingen plastische Erzählungen: „Jeden Morgen auf dem Weg zur Waldorfschule in Halle drehte mein Opa die Autoanlage richtig laut und die Fenster herunter. Ich wusste damals nicht, ob mir das peinlich war oder ob ich es verdammt cool fand – wahrscheinlich war es ein bisschen von beidem.“
Prägende Erfahrungen aus dem Westradio, Gabrysch ist bei seinem Lieblingsthema angekommen: „Heute wird alles am Computer glattgebügelt und durchproduziert, jeder vermeintliche Fehler wird ausgemerzt. Dabei haben gerade die alten Aufnahmen, die noch nicht durch heutige technische Möglichkeiten bearbeitet sind, eine besondere Magie.“ Gabrysch spricht vom Handwerk, das man ehemals perfektionieren musste, von damaligen Rohaufnahmen, die so „beeindruckend wuchtig, rau und fett klingen“.
Nach dem Schulweg war sein Interesse geweckt, Gabrysch erforschte den Rock, dasjenige, was für ihn „Seele und Dynamik“ hat. Jüngere Einflüsse wie die Bands „Red Hot Chili Peppers“, „All Them Witches“ oder „Frankie and the Witch Fingers“ kamen hinzu. Vergangenheit trifft Gegenwart. So entstand „Hâdzen“, so spielt Csongar in den wildesten Momenten sogar mit den Zähnen die Gitarre. In den Texten geht es um die großen Themen: Freiheit, Liebe, Melancholie und Drogen. So tingelt man heute durch Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen.
Aber warum nur durch Ostdeutschland? Welche Rolle spielt „Ost-West“ für die nach 1989 Geborenen? Nur Horka ist Jahrgang 1984. Wieder kommen die familiären Bande ins Spiel, Gabrysch erzählt: „Mein Opa war es zu DDR-Zeiten gewohnt, Verträge mit einem Handschlag zu besiegeln. Nach der Wende hat er mit dieser Methode schlechte Erfahrungen gemacht.“
Also gibt der Großvater, der es „cool findet, dass wir handgemachte Musik spielen“, seinem Enkel auch gutgemeinte Ratschläge: Junge, lass dich nicht auf den Arm nehmen, lass dich nicht verarschen und abziehen!
„Auch in meiner Generation sind noch Ost-West-Unterschiede zu finden. Ich will nichts über den Kamm scheren, aber im Westen trifft man auf eine kommerziellere Mentalität, da wird eher auf die Show, weniger auf den Inhalt geachtet“, sagt Gabrysch, der sogleich das eigene Konzept in den Vordergrund rückt: „Wir wollen Kunst erschaffen, die sich ständig verändert und verschiedene Stile, Genres und Epochen durchläuft. Alles im Rahmen von Rockmusik mit einer psychedelischen Stimmung. Es ist uns egal, ob wir irgendwo hineinpassen.“
Kein Label, keine Agentur
Entscheidend sei „Musik zu machen, die wir alle fühlen“, entscheidend sei eine gute Zeit, dass der Club voll ist und die Erde bebt. Geld, das in eine Bandkasse fließt, spielt eine untergeordnete Rolle. Auch das zweite Album, das gerade entsteht, wird wieder in Eigenregie in privaten Räumen gestemmt: kein Label, keine Booking-Agentur.
Gabrysch ist dennoch zuversichtlich und entschlossen: „Wir wollen es auf unsere Art schaffen. Auch über Halle, über unsere Heimat, die sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Bands ist, hinaus. Wir wollen den Absprung in die weite Welt schaffen.“ So oder so, der Opa ist schon jetzt stolz.Hâdzen: am 23. August ab 20 Uhr im Objekt 5 in der Seebener-Straße 5 in Halle, www.hadzen.de