Klassik und Jazz Festspiele auf der Zielgeraden
In der halleschen Georgenkirche wurde am Klavier improvisiert, in Bad Lauchstädt gab es zum Abschluss der Händel-Festspiele eine Kantate.

Halle/MZ - Ein Reiz der Händel-Festspiele ist die Von-bis-Spanne der Angebote. Letzten Freitag zum Beispiel: am frühen Nachmittag im neuerdings angenehm temperierten Goethe-Theater in Bad Lauchstädt der pure Händel mit einem Schäferstündchen seiner italienischen, wohl 1707 in Rom entstandenen Kantate „Clori, Tirsi e Fileno“. Am Abend dann in der Georgenkirche, eine der auch schon traditionellen Festspielorte und in Kooperation mit dem Festival Next Generation Woman in Jazz, die Fee-Jazzerin Johanna Summer mit freien Improvisationen am Klavier. Ein Erlebnis also eher von der Seitenlinie des großen Aufspielens mit Händels Musik aus. Auch mit Händel – sagt sie. Da braucht es keinen Programmzettel, weil es am Flügel die Kreation und Interpretation gleichzeitig gibt und das Publikum genauso vom Resultat überrascht wird wie die Künstlerin selbst. Die versammelte Neugier und Offenheit im Publikum jubelte ihr denn auch nach ihrem packenden, nie wieder genauso wiederholbaren Ausflug ins Land der musikalischen Phantasie herzlich zu.
In Bad Lauchstädt wurden unterdessen, diskret aber deutlich, Beziehungsoptionen durchgespielt, mit denen es so unverblümt gegen die herrschenden monogamen heteronormativen Muster geht, dass man staunt, wie das damals durchgehen konnte.
Frischer Sound
Michael Hofstetter und das Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach liefern dazu einen frischen, beherzt pointierten Sound. Die Schweizer Sopranistin Chesles Zurflüh ist diese sinnlich verführerische Clori, um deren Liebe zwei Countertenöre werben und ausführlichst leiden. Es ist ein Vorzug, dass der Italiener Nicolò Balducci als Tirsi und der Schweizer Constantin Zimmermann als Fileno, ganz unterschiedliche Stimmfarben für sich ins Feld führen können. Der eher Italiener der zwischen dramatisch und leidend changiert, bremst immer gerade noch, bevor er scharf zu klingen droht. Der Schweizer punktet dagegen mit seinem abgerundet kraftvollen Timbre. Vor der naturidyllenprächtigen barocken Bühnenkulisse tanzt Regisseur und Choreograf Alberto Pagani selbst zusammen mit Giulia die Stefano und Giulia Miceli gleichsam die Gedanken und Obsessionen der drei Protagonisten. Sie alle hat Stephan Bolz dezidiert geschmackvoll so kostümiert, dass man nicht vergisst, dass es hier um Liebe geht.