1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kriminalität: Kriminalität: Jagd auf die «Bergziege»

Kriminalität Kriminalität: Jagd auf die «Bergziege»

Von KATRIN LÖWE 13.03.2009, 21:29

MAGDEBURG/MZ. - Während Strupp und Kollege Frank Hiebeler verdächtige Fahrzeuge auf den Parkplatz lotsen - "ziehen" nennen die Zöllner das - nimmt der Rest der "Kontrolleinheit Verkehrswege" vom Magdeburger Hauptzollamt die Fahrzeuge genau ins Visier. Eines der Hauptaugenmerke: Zigarettenschmuggel.

2,7 Millionen illegal eingeführte Zigaretten mit einem Steuerschaden von rund 450 000 Euro hat der Zoll im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt sichergestellt. 2007 waren es 6,25 Millionen. Auch bundesweit ist die Zahl der Sicherstellungen gesunken - von 465 auf 291 Millionen Stück. Aber nicht etwa, weil der Schmuggel weniger wird.

Dank engerer Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarländern werden laut Bundesfinanzministerium zunehmend Schmuggeltransporte über Grenzen hinweg observiert und bis zu ihrem Zielland "durchgelassen", um an die Hintermänner zu kommen und die straffen Strukturen der Organisierten Kriminalität zu zerschlagen.

Die typische Schmuggelzigarette, sagt Magdeburgs Zollsprecher Ralf Klose, kommt aus Russland und endet in England. Der Weg führt mitten durch Deutschland und über die A 2 als größten Transitweg in Sachsen-Anhalt.

Strupp und Co. kommen mit einem Kleintransporter aus Osteuropa im Schlepptau auf den Rastplatz. Gründlich wird das Fahrzeug unter die Lupe genommen, jede Türverkleidung abgeklopft. Auch der Blick unter die Karosse und in den Motorraum fehlt nicht. Zigarettenschmuggler sind einfallsreich. Doppelte Böden im Kofferraum, Türholme, Reserveradmulden - vieles hält als Versteck für illegale Glimmstängel her. Und nur wenige vermögen die Beamten noch so zu überraschen wie eines, an das sich Wieland Heinicke erinnert: Er und seine Kollegen haben schon Zigaretten im Tank eines Wagens entdeckt. Er hatte eine sorgfältig verspachtelte doppelte Wand - am Rand war Sprit, innen Zigaretten. "Die hat man nicht gesehen. Wir sind nur stutzig geworden, weil die Menge, die wir vorher in den Verkleidungen der Türen gefunden hatten, so ungerade war", sagt Heinicke. Ähnlich "clever" glaubte sich ein Schmuggler aus dem Harz, der vor wenigen Tagen in Görlitz erwischt wurde. In einem Hohlraum auf einer Palette mit 60 Gipskartonplatten entdeckte der Zoll 213 000 unversteuerte Zigaretten.

Nach einer vom Deutschen Zigarettenverband veröffentlichten Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos ist bereits jede fünfte hierzulande gerauchte Zigarette nicht in Deutschland versteuert - ob nun legal oder illegal ins Land gekommen. In der Hauptstadt Berlin sowie in grenznahen Regionen wie Dresden und Frankfurt / Oder ist es schon jede zweite. Für die Untersuchung werden seit August 2004 bundesweit an 24 ausgewählten Standorten des Dualen Systems monatlich 12 000 leere Zigarettenschachteln aus dem Müll gesammelt und nach ihrer Herkunft ausgewertet.

Der Zigarettenverband geht davon aus, dass 2008 rund 22,5 Milliarden Zigaretten geraucht worden sind, die nicht in Deutschland versteuert wurden. "Rund ein Drittel davon wird eingeschmuggelt und landet auf dem Schwarzmarkt", sagt Sprecher Peter Königsfeld. Ein weiteres Drittel werde von Verbrauchern ins Land gebracht, die die zulässigen Freimengen beim Grenzübertritt überschreiten. Nur das letzte gelange legal ins Land.

Es ist vor allem eine Marke, die den deutschen Schwarzmarkt immer mehr überrollt: "Jin Ling", wegen ihres Widder-Logos auch "gelbe Bergziege" genannt. Sie wird in Russland eigens für den Schwarzmarkt produziert, weder Herstellung noch Inhaltsstoffe unterliegen dabei Kontrollen oder Richtlinien. Nach Schätzungen der Zigarettenbranche sind 2008 rund 2,2 Milliarden "Jin Ling" nach Deutschland geschmuggelt worden - im Jahr zuvor lag die Schätzung noch bei 1,4 Milliarden Stück. Der Gewinn für die Schmuggler ist enorm: In Russland kostet die Stange zwei Euro, in Deutschland wird sie für 15 bis 20 verkauft. Einer der größten Jin-Ling-Funde in Sachsen-Anhalt war 2007 bei Köthen. Damals wurden auf einem polnischen Lkw 912 000 Zigaretten sichergestellt.

Auf dem Börde-Rastplatz an der A 2 bleibt es an diesem Tag ruhig. Die Zahl der Sicherstellungen wird sinken, glauben Strupp und seine Kollegen, seit aus Ländern wie Polen 800 statt 200 Zigaretten eingeführt werden dürfen. Häufig waren es bislang eben auch die "kleinen Schmuggler für den Privatgebrauch", die dem Zoll ins Netz gingen. Doch auch wenn sie wegfallen: Die großen bleiben.