Justiz Justiz: Ein Mahngericht für drei Länder

Aschersleben/Staßfurt/dpa. - Post aus Staßfurt verheißt jährlichfür Hunderttausende in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nichtsGutes. Besonders dann, wenn der Brief vom Amtsgericht Ascherslebenkommt, das dort eine Außenstelle hat. Denn: In der Stadt südlich vonMagdeburg ist das zentrale Mahngericht für die drei Länderangesiedelt. Von dort wurden im vergangenen Jahr genau 223 323Bescheide versendet. Für 68 613 Sachsen-Anhalter, 105 314 Sachsen und49 396 Thüringer trugen sie die unmissverständliche Botschaft:Begleichen Sie ihre Schulden!
Am 1. Mai 2007 taten sich Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringenauf der Grundlage eines Staatsvertrags für die Bearbeitung derMahnsachen zusammen. Seitdem wenden sich alle nach Staßfurt, die Geldvon anderen bekommen wollen und dafür einen vollstreckbaren Titelbrauchen, um im Zweifelsfall auch einen Gerichtsvollzieherbeauftragen zu können. «Grundsätzlich kann jeder einen Mahnbescheidbeantragen», sagt Amtsgerichtsdirektor Thomas Dickel. «Diefröhlichsten Mahner sind große Unternehmen.» Dazu gehörenEnergieversorger, Wohnungsunternehmen und andere Firmen mit vielenKunden.
Wer Spektakuläres im zentralen Mahngericht erwartet, wirdenttäuscht. Es sieht aus wie in einem beliebigen Bürogebäude. Hinterden Türen sitzen rund 25 Mitarbeiter vor Computern, Druckern undScannern. DIN-A-4-Papierstapel sind säuberlich gestapelt.Handschriftliches gibt es hier kaum noch. «Fast alles läuft überDisketten, Online oder Barcodes, weniger als fünf Prozent kommen hierin Papierform an», sagt Dickel.
Vollautomatisch werden die Anträge bearbeitet, auf Plausibilitätgeprüft - so dass niemand 50 Prozent Zinsen verlangen kann - undanschließend die Bescheide verschickt. Früher wurden die Anträge vonRechtspflegern an jedem Amtsgericht bearbeitet. Das hieß:Dreifachdurchschlag, jeden einzelnen Antrag in die Hand nehmen undbearbeiten. Daran erinnert sich Mario Blödtner, Bundesgeschäftsführerdes Bundes der Rechtspfleger aus Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt),nochgut. «Das automatische Verfahren ist grundsätzlich der richtige Weg.»Aus Sicht der Bürger fehlten aber die Ansprechpartner in der Fläche.
«Jetzt haben wir erhebliche Schnelligkeitsvorteile», sagt Dickel.Hinzu komme eine einheitliche Bearbeitung, weil alles elektronischlaufe. Ohne Widerspruch des Schuldners und sonstige Unwägbarkeitenhat der Gläubiger innerhalb von etwa vier Wochen einenVollstreckungsbescheid - die Grundlage für die Zwangsvollstreckung.Über das Mahnverfahren an das Geld zu kommen, klappt laut Dickel imüberwiegenden Teil der Fälle.
In Sachsen-Anhalt läuft das vollautomatische Mahnverfahren schonseit Oktober 2005. Thüringen und Sachsen kamen dann hinzu. Bundesweitist laut Dickel alles komplett automatisiert. Neben den dreiOst-Ländern haben sich auch andere zusammengetan wie Rheinland-Pfalzund das Saarland, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie Berlin undBrandenburg.
Der Vorsitzende des Sächsischen Richtervereins, Reinhard Schade,hält das gemeinsame Mahngericht für sinnvoll - auch, weil es hier umSchriftverkehr geht. Innerhalb der Justiz sieht er aber kaum weitereEinsparmöglichkeiten. Er hält nicht viel von diskutiertenZusammenlegungen von Oberlandesgerichten. Zwischen den Gerichten inJena, Dresden und Naumburg lägen sehr weite Strecken. «Die Wege fürdie Bürger würden sehr viel länger», sagt Schade.