Job und Familie Job und Familie: Chef zahlt den Kindergarten
Jena/MZ. - Die Abfahrt Jena-Göschwitz von der A 9 führt direkt in ein Gewerbegebiet. Dort sitzen fast alle Firmen, die Jenas guten wirtschaftlichen Ruf prägen: der Optik-Konzern Jenoptik, der Glashersteller Schott und der Medizintechnikhersteller Carl-Zeiss Meditec. Den Standort in die Schlagzeilen brachte in den vergangenen Tagen aber der Mittelständler "Göpel Elektronic", der Prüfsysteme herstellt.
Unternehmensgründer Holger Göpel gab bekannt, künftig die Kindergartengebühren für seine Mitarbeiter zu zahlen. Ab Mai werden monatlich rund 200 Euro pro Kind übernommen. Außerdem gibt es für jedes Neugeborene der 110 Mitarbeiter ein "Begrüßungsgeld" von 500 Euro. "Es nützt nichts, die sinkenden Geburtenraten nur zu beklagen", sagt der Firmenchef. "Jeder in der Gesellschaft sollte nach seinen Möglichkeiten auch etwas dagegen tun." Gespräche mit seinen Mitarbeitern haben den Vater von zwei Töchtern zu der Entscheidung bewegt. "Wer Kinder hat, muss tief in die Tasche greifen."
Göpel arbeitete fast drei Jahrzehnte in Jena bei Carl-Zeiss, bevor er nach der Wende 1991 zusammen mit Partnern die eigene Firma gründete. Mit Mess- und Prüfsystemen für die Automobilindustrie und Elektronikkonzerne machte sich das Thüringer Unternehmen einen guten Namen. Jährlich wurden etwa zehn neue Mitarbeiter eingestellt, der Umsatz 2005 lag bei rund 13 Millionen Euro.
Göpel rechnet vor, dass er für die derzeit 19 Kindergartenkinder etwa 4 000 Euro im Monat zahlt, fast 50 000 Euro im Jahr. "Dies sind vielleicht ein Prozent unserer Kosten", sagt Göpel. "Es wäre schlimm, wenn uns das wehtun würde." Auch bei einem Babyboom würde sich daran nichts ändern. Nach Ansicht von Göpel profitiert auch die Firma langfristig von der sozialen Leistung. "Wenn motivierte Mitarbeiter nur einige Geräte mehr verkaufen, machen wir noch Plus."
Mit seinem Plan knüpft der Unternehmer an gute Jenaer Tradition an. Ernst Abbe, Mitgründer von Carl-Zeiss, war Ende des 19. Jahrhunderts mit sozialpolitischen Ideen seiner Zeit voraus. Aus einem 25 Mitarbeiter Betrieb formte Abbe innerhalb weniger Jahre einen Optik-Konzern mit 1 400 Mitarbeitern - und führte gleichzeitig bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung bei Krankheit und eine Beteiligung am Gewinn für die Mitarbeiter ein.
Göpel hat für sein Konzept viel Zustimmung geerntet. Als er sein Vorhaben während einer Betriebsversammlung vorstellte, bekam er spontanen Applaus. "Auch die Mitarbeiter ohne Kinder haben die Entscheidung begrüßt" sagt Software-Entwickler Uwe Ziegler, Vater von zwei Kindern. "Für unsere vierjährige Ailina zahlt jetzt der Chef den Kindergarten." So spare die Familie 230 Euro im Monat.
Auch auf anderen Gebieten sei das Unternehmen kinderfreundlich. "Wenn unsere Tochter krank ist, kann ich einen Tag auch vom Computer zu Hause aus arbeiten", so Ziegler. Eine Möglichkeit, die der Programmierer nutzt - und die dazu beträgt, dass er sich bei seiner Firma gut aufgehoben fühlt.
Die Entscheidung von "Göpel Elektronic" spiegelt auch die gesamte Entwicklung von Jena in den vergangenen Jahren wider. Viele Firmengründungen, die Universität und Forschungs-Institute sorgen für eine wachsende Bevölkerung. In einer Prognose für 2015 wird fast allen Regionen in Thüringen Einwohnerverlust vorausgesagt - nur Jena bildet eine grüne Insel.