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Islam und Meinungsfreiheit Islam und Meinungsfreiheit: Wissenschaftler werben für differenzierte Betrachtung

Von Alexander Schierholz und Ines Krause 07.02.2006, 19:39

Halle/MZ. - Ein Verstoß gegen das Bilderverbot im Islam? Wer so argumentiere im Streit um die Mohammed-Karikaturen, sagt Ahmed Abdelsalam, der mache es sich zu einfach. Wie zum Beweis zeigt der 36-Jährige auf den Monitor seines Computers: Zu sehen ist eine persische Darstellung des Propheten aus dem 16. Jahrhundert, bei der lediglich das Gesicht eine weiße Fläche ist. Gerade die Schiiten, erläutert Abdelsalam, hätten das Bilderverbot zu bestimmten Zeiten durchbrochen. Das zeigten auch heutige Darstellungen des Enkels des Propheten aus dem Iran oder dem Sudan.

Nur eine kleine Facette, aber sie belegt, wie der Islamwissenschaftler von Halles Martin-Luther-Universität den Karikaturen-Streit sieht: Der Ägypter, der seit 1997 in Halle lebt und arbeitet, plädiert für eine differenzierte Betrachtung. Bei den gewalttätigen Protesten, die Abdelsalam scharf verurteilt, gehe es nicht nur um einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Der Konflikt dürfe auch nicht auf einen Kampf gegen das Christentum reduziert werden, warnt er. "Christen gibt es schließlich auch in Syrien, Palästina oder im Libanon."

Der Wissenschaftler spricht vielmehr von einer "gefährlichen Mischung": Die Empörung über die Zeichnungen falle in eine Zeit, in der viele Muslime ohnehin den Eindruck hätten, der Westen führe Krieg gegen sie. Nun sähen sie sich auch noch in ihren religiösen Gefühlen zutiefst verletzt. Er selbst auch? "Nein", sagt der Ägypter, "ich bin Moslem, aber mein Glaube ist in mir". Zudem habe er als jemand, der sich schon lange in Deutschland aufhalte, eine andere Perspektive und besseren Zugang zu Informationen. "In arabischen Zeitungen habe ich zum Beispiel wenig gelesen über die Entschuldigung des dänischen Ministerpräsidenten. Das war einseitig."

Karikaturen an sich sind aus Sicht Abdelsalams nicht das Problem. Die fraglichen Zeichnungen aber seien so auf Mohammed zugespitzt worden, dass darin vielfach eine Diskriminierung islamischer Werte erkannt werde. "Da ist eine Grenze überschritten worden." Er selbst habe einige der Karikaturen schon vorher gesehen, "ich habe sie aber nie mit Mohammed in Verbindung gebracht".

Professor Stefan Leder vom Orientwissenschaftlichen Zentrum der Uni sieht das ähnlich. Die Bilder hätten bei weitem nicht für solche Bestürzung unter den Moslems gesorgt, wenn in ihnen nicht explizit der Prophet dargestellt worden wäre, urteilt der Professor für Arabistik. "Da fehlt dem Westen einiges an Fingerspitzengefühl und an grundlegendem Wissen über den Islam." In der islamischen Welt sei die religiöse Autorität nun einmal ungleich stärker als im Westen. "Deshalb fühlen sich Moslems in diesem Fall viel eher beleidigt."

Abdelsalam befürchtet, dass durch die Proteste extreme Kräfte in allen Parteien und Gruppierungen im arabischen Raum Auftrieb erhalten. Das könne zu einer Radikalisierung der Gesellschaft führen. Der Islamwissenschaftler plädiert deshalb für einen neuen Dialog des Westens mit dem Islam, bei dem säkulare Parteien gestärkt werden müssten. "Die deutschen Parteistiftungen haben alle Büros im Nahen Osten. Dort könnten sie sich einbringen." Leder fordert, "wirklich relevante Fragen" zu stellen. Schließlich würden eingeschränkte persönliche Freiheiten, mangelnde Bildungschancen und die allgemeine Entwicklung des Menschen auch in der islamischen Welt selbst kritisch gesehen.