Interview mit Birke Bull Interview mit Birke Bull: Rot-Rot-Grün im Bund ist Phantomdiskussion

Magdeburg/dpa - Seit einem Jahr führt Birke Bull (49) die Linkspartei in Sachsen-Anhalt. In einem dpa-Interview berichtet sie von ihrer Arbeit und wie sie ihre Partei im Bundestagswahlkampf sieht.
Frage: In ihrem Lebenslauf auf ihrer Internetseite steht gar nicht, dass Sie vor einem Jahr, am 21. Juli 2012, Parteichefin wurden. Welche Rolle hat dieser Parteivorsitz für Sie?
Antwort: Also, dass ist eine riesige Herausforderung gewesen, ich bin ja in große Fußstapfen getreten. Insofern musste ich mich strecken. Mein Anspruch ist ja vor allem ein programmatischer.
Frage: Wofür stehen Sie politisch innerhalb der vielen Strömungen der Linken?
Antwort: Ich werde gemeinhin als Realpolitikerin gesehen. In meinem Verständnis ist das etwas, was die Balance versucht zwischen Protest auf der einen Seite und auf der anderen Seite den Anspruch formuliert zu gestalten. Und zwar im Hier und Jetzt und nicht im politischen Jenseits.
Frage: Sie sagen, dass die Singebewegung der FDJ Sie sehr stark geprägt habe.
Antwort: Das ist in der Tat so. Ich bin dort sehr stark politisiert worden und zwar in einer Art und Weise, mit Widersprüchen umzugehen. Die Singebewegung war ja innerhalb der DDR so eine Nische, wo man sich auch mit Kritik auseinandergesetzt hat, wo man Widerworte gefunden hat. Da ging es ordentlich widerspenstig vor. Das hat mein Leben geprägt. Es hat mir beigebracht, dass es einfache Wahrheiten nicht gibt, dass es schwarz und weiß nicht gibt, dass das Leben sehr viel komplizierter ist.
Frage: Dann gehen wir von den persönlichen Dingen jetzt zur großen Politik. Was erwarten Sie von Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht als die beiden prominentesten Gegenpole im achtköpfigen Wahlkampfteam zur Bundestagswahl?
Antwort: Beide sind profiliert für unterschiedliche Arten und Weisen, an Politik heranzugehen. Gregor Gysi ist bekannt, der hat nicht nur einen Unterhaltungswert. Was ich an ihm absolut schätze, ist, dass er komplizierte politische Prozesse auch einfach erklären kann, ohne sie zu versimpeln. Sahra Wagenkecht spricht noch einen Tick mehr als Gregor Gysi die Veränderungswilligkeit an, den Anspruch, Welt und Gesellschaft zu verändern. Insofern sind beide für uns für die Bundestagswahl eine gute Klammer.
Frage: Wie zufrieden sind Sie mit dem Spitzenteam aus insgesamt gleich acht Personen?
Antwort: Ich hätte mir natürlich eine Konstellation gewünscht: Gregor Gysi und Kollegen. Aber auf der anderen Seite sage ich: Es spiegelt inhaltliche Breite wieder. Es spiegelt Kontroverse wider. Es spiegelt wider, dass wir Nachwuchs haben. Ich habe da meinen Frieden mit gemacht.
Frage: SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück und die Grünen auf der Bundesebene lehnen Rot-Rot-Grün ab. Ist es bereits ausgemachte Sache, dass die Linken in der Opposition bleiben?
Antwort: Wir haben immer gesagt, wir stehen für einen Politikwechsel. Und das ist mehr als nur ein Machtwechsel. Es gibt Essentials, beispielsweise die Frage flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Wenn es die Verhältnisse hergeben, dann stehen wir selbstverständlich zur Verfügung. Aber im Moment ist das eine Phantomdiskussion, denn SPD und Grüne haben das für sich ausgeschlossen.
Frage: Muss sich die Linkspartei in kritischen Fragen wie Wirtschafts- und Finanzpolitik oder Bundeswehreinsätze im Ausland noch anders aufstellen, damit es vielleicht bei der übernächsten Bundestagswahl zu Rot-Rot-Grün kommen könnte?
Antwort: Natürlich ist eine Partei immer im Wandel. Aber eine Veränderung, um passfähig zu sein in einer Regierung, halte ich nicht für ein erstrebenswertes Ziel.
Frage: Warum sollte man bei der Bundestagswahl die Linkspartei wählen. Können Sie das in drei knappen Sätzen zusammenfassen?
Antwort: Ich glaube, unsere Stärke ist die Glaubwürdigkeit. Wir stehen seit so vielen Jahren für zentrale Themen wie soziale Gerechtigkeit und sind davon nie davon abgerückt. Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit. Und ein zweites Argument: Wer tatsächlich für eine solche Gesellschaft ist, der muss auch mit Biss das heiße Thema der Umverteilung, also von unten nach oben, von reich zu arm, oder von privat zu öffentlich mittragen. Genau das sehe ich bei unseren Konkurrenzparteien Bündnis 90/Die Grüne und SPD nicht.