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Internationale Studie Internationale Studie: Miserable Noten für deutsche Schüler

02.12.2001, 13:47
Schlechte Noten fürs deutsche Bildungssystem
Schlechte Noten fürs deutsche Bildungssystem Michael Seifert

Berlin/dpa. - Deutschlands Schüler haben beim weltweit größtenSchülerleistungstest «Pisa» miserabel abgeschnitten. Im Vergleich mit32 Industriestaaten landete die Bundesrepublik in allen dreiLeistungskategorien - Lesen, Rechnen und Naturwissenschaft - jeweilsauf einem der hintersten Plätze (20. bis 25.). Dies berichten«Spiegel» und «Focus» in ihren neuen Ausgaben. Spitzenreiter sinddagegen Finnland, Korea, Kanada und Japan.

Besonders erschreckend für die Schulforscher: Gut jeder fünftedeutsche Schüler (22,6 Prozent) erreicht bei der Lesekompetenz nurdie niedrigste Leistungsstufe. Die Fähigkeit, einen Text zu lesen undden Sinn zu verstehen, gilt als eine der wichtigsten Voraussetzungen,um sich im Leben und Beruf zu Recht zu finden und sich auchmathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse anzueignen. EineLehrlings-Einstellungsprüfung, wie bei den Industrie- undHandelskammern heute üblich, würden diese Schüler nicht bestehen.

Die Mehrzahl dieser leistungsschwachen Schüler ist männlich undstammt aus dem sozial schwachen Milieu. Anders als in anderen Länderngelingt es den deutschen Schulen nicht, herkunftsbedingte Nachteilebeim Lernen auszugleichen. Aber selbst die «besten« deutschen Schülerlagen im Vergleich mit den «besten» anderer Länder unter demDurchschnitt, ergab nach dpa-Recherchen die Studie. WeiteresErgebnis: In keinem anderen Land gibt es so krasse Diskrepanzenzwischen guten und schlechten Schülern wie in Deutschland,

Für die Untersuchung wurden im Auftrag der Organisation fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weltweit über260 000 Schüler im Alter von 15 Jahren getestet, darunter rund 10 000Deutsche. Für eine spezielle nationale Auswertung wurden im Auftragder Kultusminister zusätzlich 50 000 Schüler einbezogen. Ergebnissesollen später folgen. In der internationalen Wertung liegtDeutschland auf einer Niveaustufe mit Russland und Brasilien. Ineinem Fall landeten die Deutschen sogar auf dem vorletzten Platz, vorMexiko.

Alle Länder mit Spitzenleistungen haben Ganztagsschulen. Auchwerden dort die Kinder nicht wie in Deutschland üblich alsZehnjährige auf verschiedene Schulformen verteilt. Sie besuchenmindestens bis zur neunten Klasse gemeinsam die Schule.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte dem«Tagesspiegel» (Sonntag), Deutschland müsse seine Kinder «besser undfrüher fördern». Unter Hinweis auf die jüngsten Reformabsprachenzwischen Bund und Ländern im «Forum Bildung» sagte die Ministerin:«Mehr Auslese ist dafür der falsche Weg». Auch müsse Deutschland mehrGeld in das Ausbildungssystem investieren. «Der Bund hat den Anfanggemacht, andere müssen jetzt folgen.»

Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,Eva-Maria Stange, fordere eine viel bessere Förderung der Kleinen vomKindergarten an. Dieser müsse von einer Halbtagseinrichtung in eineganztätige «Kinderschule» umgewandelt werden, mit spielendemkindgerechten Lernen nach schwedischem Vorbild, sagte Stange in einemdpa-Gespräch. Auch Schweden gehört bei «Pisa» zur Spitzengruppe.

Das miserablen Abschneiden bei «Pisa» erfordere eine«Qualitätsoffensive für bessere Schulen», sagte die GEW-Chefinweiter. Deutschland müsse dieses Attest «über die Schulmisere alsChance für ein grundsätzliches Umdenken in der Bildungs- undSchulpolitik begreifen». Der Vorsitzende des Verbandes Bildung undErziehung (VBE), Ludwig Eckinger, sagte in der «Welt am Sonntag», inden Schulen herrsche «zu viel Stoffdruck, aber zu wenig Denkdruck».

Die Pisa-Studie der OECD
Die Pisa-Studie der OECD
dpa