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Identitäre Bewegung Identitäre Bewegung in Sachsen-Anhalt: Das Netzwerk der Rechtsextremisten

Von Alexander Schierholz 07.10.2016, 06:00
Aktivisten der "Identitaeren Bewegung" stehen auf dem Brandenburger Tor.
Aktivisten der "Identitaeren Bewegung" stehen auf dem Brandenburger Tor. dpa

Halle (Saale) - Nun also Zittau. Vor wenigen Wochen tauchte an mehreren Stellen in der ostsächsischen Stadt der Slogan „Geht nach Hause“ in arabischen Schriftzeichen auf, mit weißer Farbe gesprüht von Unbekannten.

Erst im Juli hatte sich die fremdenfeindliche „Identitäre Bewegung“ in Halle zu einer solchen Aktion vor dem ehemaligen „Maritim“-Hotel bekannt - als Aufforderung an Flüchtlinge, Deutschland zu verlassen.

Im Internet kam schnell der Verdacht auf, dass die rechten Aktivisten aus Halle auch hinter den Sprayereien in Sachsen steckten. Fotos legen nahe, dass jeweils die gleiche Schablone verwendet wurde.

Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz hat zwar keine Hinweise, dass Identitäre aus Halle in Zittau aktiv waren. Allerdings habe es jüngst in mehreren deutschen Städten Sprüh-Attacken mit entsprechenden Schablonen gegeben, sagt Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann.

„Kontrakultur“ aus Halle

Das zeigt: Die Identitären, die mittlerweile wie andere rechtsextreme Parteien und Gruppierungen im Land vom Verfassungsschutz überwacht werden, sind gut vernetzt. Und die Gruppe aus Halle, die sich selbst „Kontrakultur“ nennt, mischt immer wieder mit, wenn die Bewegung sich mit Aktionen öffentlichkeitswirksam inszeniert.

Beispiel Berlin: Ende August besetzten Identitäre das Brandenburger Tor in Berlin, mit dabei war nach Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes ein Mitglied von „Kontrakultur“.

Zwei Wochen später störten sie mit Zwischenrufen und Transparenten eine Talkrunde eines Berliner Radiosenders mit der Reformations-Botschafterin der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann.

Danach veröffentlichte die „Identitäre Bewegung Deutschland“ auf ihrer Website eine Pressemitteilung, derzufolge die hallesche Gruppierung auch an dieser Aktion beteiligt war.

Auch international treten die Identitären aus Halle auf, so im August bei einer „Sommeruniversität der französischen Kameraden“ - nachzulesen auf der Facebook-Seite der Hallenser.

Bei einer Identitären-Demo im Juni in Wien marschierten Mitglieder der halleschen Gruppe laut Verfassungsschutz an der Spitze mit.

Die Rolle von Kubitschek

Torsten Hahnel von der halleschen Arbeitsstelle Rechtsextremismus sagt: „Die Gruppe in Halle ist eine der aktivsten, die es gibt“, obwohl sie, soweit bekannt, kaum mehr als ein Dutzend Mitglieder habe. Halle sei für die „Identitäre Bewegung“ ideal, weil Schnellroda gleich in der Nähe liege.

In dem Dorf bei Querfurt sitzt nicht nur das „Institut für Staatspolitik“, dort wohnt auch einer seine Gründer - der Verleger Götz Kubitschek, der als zentrale Figur der neuen Rechten gilt.

Die „Identitäre Bewegung“ arbeitet eng mit dem Institut zusammen, das eine Art Denkfabrik der intellektuellen neurechten Szene ist.

So aktiv die Identitären aus Halle auch sein mögen: Bundesweite Führungsfiguren sind nach Einschätzung des Landes-Verfassungsschutzes nicht darunter.

Ansonsten hält sich die Behörde mit Bewertungen noch zurück. Erst seit September ist die Bewegung im Land offizielles Beobachtungsobjekt: Laut Innenministerium gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sich die Identitären, landesweit 30 bis 50 Leute, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richteteten.

Nun können zur Überwachung auch geheimdienstliche Mittel eingesetzt werden, zum Beispiel Aktivisten abgehört oder observiert werden. Zu Einzelheiten schweigt Verfassungsschutz-Chef Hollmann. Die Identitären selbst bestreiten Verbindungen zum rechtsextremen Lager.

Rechtsextremes Bündnis mit Burschenschaften

Der hallesche Ableger „Kontrakultur“ fungiert als Verein, doch wer dahinter steckt, ist unklar. Nach Angaben eines linken Internet-Portals sollen einige der Akteure an der Uni Halle studieren und zum Teil Mitglieder einer Burschenschaft sein - der „Halle-Leobener Burschenschaft Germania“. „Das deckt sich mit unseren Erkenntnissen“, sagt Szene-Beobachter Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus.

Die Burschenschaft will sich nicht äußern. „Wir geben grundsätzlich keine Auskunft über unsere Mitglieder und kommentieren gegenüber Dritten auch keine anonymen Behauptungen aus dem Internet“, teilt die Vereinigung auf MZ-Anfrage mit.

Die „Halle-Leobener Germania“ gehört der „Deutschen Burschenschaft“ an, einem von mittlerweile drei Burschenschafts-Dachverbänden in der Bundesrepublik. Kritiker werfen dem Verband vor, nicht konsequent genug gegen rechtsextreme Strömungen vorgegangen zu sein.

(mz)