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"Ich sehe Thüringen nicht als Modell für Berlin."  "Ich sehe Thüringen nicht als Modell für Berlin." : Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein im Interview

Von Markus Decker 28.11.2014, 15:38
Thüringens SPD-Chef Andreas Bausewein.
Thüringens SPD-Chef Andreas Bausewein. dpa Lizenz

Halle (Saale) - Herr Bausewein, in Thüringen wird jetzt die Regierung gebildet. Und Sie gehen nicht hinein. Warum nicht?

Bausewein: Weil ich schon vor zwei Jahren zur Oberbürgermeister-Wahl gesagt habe, dass ich für eine komplette Wahlperiode kandidiere. Das ist eine Frage von Geradlinigkeit. Ich werde auch bei der OB-Wahl 2018 wieder antreten. Wir haben 2021die Bundesgartenschau in Erfurt. Und meine Vorstellung war immer, dass ich die eröffnen will. 

Ziel muss ja sein, dass die SPD besser aus der nächsten Wahl hervorgeht als aus der letzten. Müssen da nicht die besten Leute in die Regierung?

Bausewein: Die SPD wird hervorragende Leute in die Regierung entsenden. Jene, die die Ministerposten besetzen, werden fachlich die besten sein. Sie müssen aber auch das, was sie tun, am besten verkaufen können. Das war in den letzten fünf Jahren nicht immer der Fall.

Die Linke agiert super pragmatisch. Sie schluckt den Unrechtsstaat und die Schuldenbremse und lässt sogar den Verfassungsschutz bestehen. Wo bleibt da eigentlich noch Platz für die SPD?

Bausewein: Wir sind die stabile Komponente in dieser Regierung. Wir hatten Regierungsverantwortung. Das hatten Grüne und Linke bisher nicht. Und der Koalitionsvertrag ist ein sozialdemokratischer Koalitionsvertrag. Wir haben uns da gemessen am Wahlergebnis schon deutlich durchgesetzt, was insbesondere daran liegt, dass die Linke sehr kompromissbereit war. Aber eine Garantie, dass wir bei der Wahl 2019 zulegen werden, hat natürlich keiner.

Haben Sie denn eine Strategie, wie Sie sich in der Regierung behaupten wollen?

Bausewein: Wir werden koordiniert und konstruktiv miteinander arbeiten. Denn das Problem der letzten fünf Jahre war ja auch, dass keiner dem anderen etwas gegönnt hat. Insbesondere hat die Union der SPD nichts gegönnt. Da wurde immer wieder reingegrätscht. Wir werden gegen die Koalitionspartner nicht grätschen. Zum Schluss werden wir von einer Regierung auch nur dann profitieren, wenn sie nach außen ein vernünftiges Bild abgibt. 

Einer, der besonders gegrätscht hat, war der CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring. Und der soll jetzt gegen Ihren Kandidaten Bodo Ramelow antreten. Was halten Sie denn davon?

Bausewein: Ich frage mich, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass Herr Mohring gewinnt, was er dann eigentlich machen will. Er hat keine parlamentarische Mehrheit, auch mit der AfD nicht. Im Übrigen hat der AfD-Fraktionsvorsitzende zwar behauptet, die AfD stehe geschlossen hinter Herrn Mohring. Sein Stellvertreter hat jedoch gesagt, das stimme nicht. Ein CDU-Landesvorsitzender Mohring wäre für die SPD nicht schlecht. Denn er würde die CDU nach rechts ziehen. Und wer nach rechts zieht, der macht die Mitte frei. 

Am Tag vor der Ministerpräsidenten-Wahl wird es in Erfurt noch mal eine Protestdemonstration geben wegen der Linken und ihrer DDR-Vergangenheit. Sind Sie eigentlich sicher, dass die Unterschrift der Linken unter den Begriff Unrechtsstaat mehr ist als ein Lippenbekenntnis?

Bausewein: Die Verhandlungsdelegation hat sehr deutlich gemacht, dass sie in der Frage steht. Das ist den Grünen und uns wichtig. Trotzdem muss die Linke nach 25 Jahren langsam mal die Diskussion über die DDR führen. Damit hätte sie auch vorher schon beginnen können. 

Herr Ramelow hat jetzt im Neuen Deutschland erklärt, man müsse auch über das Thema Berufsverbote im Westen und die Kürzung von Renten ehemaliger SED-Funktionäre reden. Das klingt weniger nach Aufarbeitung als nach Relativierung von Unrecht.

Bausewein: Ich habe das Interview nicht gelesen. Im Übrigen haben wir in Thüringen derzeit andere Probleme. Wir müssen eine Regierung aufstellen. Ich bin jetzt erst mal gespannt, wie viele Mitglieder der Linken dem Koalitionsvertrag zustimmen. Das wird ja auch ein Indiz sein. Eine deutliche Mehrheit wäre mir wichtig – und nicht 51 zu 49. 

Und wenn der Fall eintritt?

Bausewein: Er wird nicht eintreten. 

Sie rechnen eher mit einer Honecker-Mehrheit?

Bausewein: Nein, mit der rechne ich auch nicht. Linke Parteien neigen nicht zur Einstimmigkeit. 

Was ist denn, wenn die Mehrheit am 5. Dezember nicht zustande kommt?

Bausewein: Wenn dieser Fall eintreten sollte, wovon ich nicht ausgehe, sollten wir Neuwahlen anstreben. Die SPD hat es sich nicht leicht gemacht, für die nächsten fünf Jahre eine Richtungsentscheidung zu treffen – auch wenn die nicht für alle Ewigkeit gilt, nicht einmal für die Landtagswahl 2019. Aber nach den langwierigen Diskussionen können wir die Entscheidung nicht einfach wieder kippen. Unser Problem im Wahlkampf war ja, dass wir keine Position bezogen haben. Jetzt haben wir Position bezogen und können die nicht einfach wieder aufgeben. 

Ist denn Rot-Rot-Grün ein Modell für andere Länder oder gar für den Bund?

Bausewein: Ich sehe Thüringen nicht als Modell für Berlin. Da muss die Linke erst noch an einigen grundlegenden Positionen arbeiten, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Da ist manches weltfremd.

Berlin also nicht. Doch die Linke sagt, Sachsen-Anhalt könnte 2016 das nächste Land sein.

Bausewein: Das kann die Linke ja sagen. Am Schluss wird es darauf ankommen, was die SPD Sachsen-Anhalt sagt. (mz)

Thüringens SPD-Chef Andreas Bausewein.
Thüringens SPD-Chef Andreas Bausewein.
dpa Lizenz