Hilfe Hilfe: Trost in Stunden des Schmerzes
Höhnstedt/MZ. - "Ich könnte das nicht." Wenn es einen Satz gibt, den Frank Ewert nicht mehr hören kann, dann ist es dieser.
"Ich könnte das nicht", heißt es immer dann, wenn er berichtet, dass er und seine Lebenspartnerin beruflich als Trauerredner arbeiten. Also haben Frank Ewert und Simone Hofmann irgendwann beschlossen, nicht von selbst auf ihren Beruf zu sprechen kommen. Es ist ja doch ein eher ungewöhnlicher Job.
Aber ebenso ungewöhnlich sind die beiden zu ihm gekommen, sind auch die Brüche in der eigenen Biographie. Es ist das Jahr 1994, als der allein erziehende Vater von zwei Söhnen und einer Tochter plötzlich seinen 16-jährigen Sohn Ilja verliert. Ein Auto hat den Fahrradfahrer auf dem Rückweg aus dem Freibad erfasst und tödlich verletzt. Für den damals 41-jährigen Pädagogen bricht eine Welt zusammen. "Da stand ich mit dem Rücken zur Wand", erinnert sich Ewert, "und merkte, dass nichtreligiöse Menschen völlig auf sich allein gestellt sind." In diesen traurigen Tagen wird Frank Ewert noch etwas Weiteres klar. Vor allem nicht kirchlich gebundenen Menschen fehle oft eine Trauerkultur.
So beginnt er, den Schmerz auf die ihm eigene Art zu verarbeiten. Frank Ewert sucht Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, "weil nur Gleichbetroffene wirklich helfen können". Zuhören allein reiche Trauernden nicht. Er setzt sich in einem Buch mit seinen Erfahrungen auseinander. Er gründet einen Freundeskreis - und lernt dort Simone Hofmann aus der Saalkreis-Gemeinde Höhnstedt kennen.
Auch sie als Mutter von drei Kindern hat im August 1994 einen tragischen Verlust zu beklagen. Die damals 30-Jährige wartet zu Hause auf ihren Mann. Als er nicht kommt, vermutet sie, dass er Überstunden leistet - statt dessen hat er einen tödlichen Herzinfarkt erlitten. Ein Schock, der sie lange zu lähmen scheint.
Die Erzieherin Hofmann geht anders mit ihrem Schmerz als Frank Ewert um. "Ich habe Lieder geschrieben und musiziert und so meine Gefühle verarbeitet."
Aus der zufälligen Bekanntschaft, aus gemeinsamen Abenden bei Musik und Lyrik, wird irgendwann auch Liebe. Simone Hofmann und Frank Ewert ist schließlich klar geworden, dass die professionelle Hilfe für Trauernde etwas ist, was auch ihre Profession ist. "Trauer", sagen beide inzwischen, "ist die Zwillingsschwester der Liebe". Sie gehört im Leben dazu, denn sie macht die Menschen stark. Als die beiden das begriffen haben, machen sie sich als Trauerredner selbstständig.
Frank Ewert sagt seitdem seinen Kunden, dass Trauer nicht bewältigt, sondern begleitet werden muss. Dies ist seine Mission, oft auch lange nach einer Trauerfeier. Dass er manches von dem, was ihm in vielen Gesprächen an Puzzleteilen eines Lebens berichtet wird, auch abends mit nach Hause nimmt, gehört für ihn dazu. "Aber letztlich bleibt man auf Distanz", sagt Ewert. "Ein Zahnarzt, der bohrt, hat auch selbst keine Schmerzen." Und doch wisse er, dass sein Bohren wehtut.
Das Geschäft mit der Trauer ist hart. Rund 3 000 Menschen sterben pro Jahr in Ewerts Einzugsbereich rings um Halle - im November sind es immer etwas mehr. Redner gibt es viele, gute sind rar. Deshalb ist die persönliche Empfehlung die wichtigste Stütze. Aber noch immer, sagt Ewert, geben manche für einen Kranz mehr Geld als für eine Rede aus. Dazu kommt: Seit das gesetzliche Sterbegeld gestrichen worden ist, finden mehr Beerdigungen ohne Rituale statt. "Einfacher Abtrag" heißt das im Fachjargon und klingt genauso schmucklos, wie es ist.
Doch immer wieder trifft Frank Ewert auf Menschen, die irgendwann einmal bei einer Beerdigung auf eine Trauerrede verzichtet haben. "Die kommen plötzlich und sagen beim Tod des nächsten Angehörigen, dass eine Bestattung ohne Rede seltsam sei."
Simone Hofmann wundert das nicht. "Im Leben", sagt sie, "ist es wie beim Autofahren. Man muss hin und wieder in den Rückspiegel schauen."