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Herr der Hasen aus Bayern Herr der Hasen aus Bayern: Von Verbrechern zu Schokohasen

Von Thomas Olivier 03.04.2015, 11:10
In Handarbeit erstellt Anton Asanger Formen für Schokohasen.
In Handarbeit erstellt Anton Asanger Formen für Schokohasen. S. Braun Lizenz

Glonn - Eine Blume steckt in der Schnute von Meister Lampe. Zu dünn darf der Stengel nicht sein. „Sonst bricht er entzwei“, sagt der 50-jährige Anton Asanger. Mit einem Modellierholz gibt der Schoko-Künstler der Figur aus Plastilin den letzten Schliff. Asanger entwirft beim Schokoformen-Hersteller Hans Brunner im oberbayerischen Erholungsort Glonn Gussformen von Osterhasen und Ostereiern. Aus den Bleistift-Entwürfen und den Modellen des Meisters entstehen Millionen Schoko-Nager für die ganze Welt. „Ein Traumjob“, findet Asanger. Bis vor ein paar Jahren hat er beim Landeskriminalamt in München noch Phantombilder gezeichnet. Irgendwann haben ihm die Verbrecher-Gesichter gereicht. Statt Mörder zu skizzieren, kreiert der ehemalige Porzellan-Maler von der Königlichen Manufaktur Nymphenburg heute lieber die Körper süßer Schoko-Häschen.

Herr der Hasen strotzt vor Zuversicht

Kaum ein Schoko-Hasen-Zoo im Supermarkt-Regal, dessen Wiege nicht im 4 500-Seelen-Nest Glonn steht: Aus Meister Lampes Kreissaal wackeln Hasen-Formen durch ganz Europa und containerweise bis nach Japan und Südamerika. Dank Asangers Kreationen laufen millionenfach süße Häschen, Nikoläuse und viele andere Gestalten vom Band. Mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent bei den Schoko-Hohlfiguren ist das weltweit operierende Unternehmen mit seinen hundert Mitarbeitern der internationale Platzhirsch. Nur eine Handvoll Konkurrenten versucht Schritt zu halten. „Wir arbeiten in einem Nischenmarkt“, sagt der 47-jährige Geschäftsführer Markus Gebhart. Der Herr der Hasen strotzt vor Zuversicht: „Genascht wird immer!“ Selbst die Billiglohnländer Asiens sind für den kleinen Global-Player mit dem riesigen Marktanteil keine ernsthafte Bedrohung: „Schokolade spielt in China nur eine untergeordnete Rolle“, erklärt Gebhart. In Brasilien, einem der wichtigsten Absatzmärkte, sei sie aber der „Luxus des kleinen Mannes“.

Langer Weg bis zum Schoko-Hasen

Bis Meister Lampes Löffel aus Zartbitter, Nougat und Vollmilch auf der Zunge zerschmelzen, ist es ein langer Weg. Aus der Hand des Illustrators hoppelt der Hase als eingescanntes Modell in 3D-Computerprogramme. High-Tech für den Schoko-Spaß: Am Bildschirm bekommen die digitalisierten Nager ihren Feinschliff. Danach fräsen Hochgeschwindigkeits-Maschinen mit tausend Umdrehungen pro Sekunde die Rohlinge aus Kunststoff. Diese so genannten „Stempel“ landen in Spritzgussmaschinen und Hochdruckpressen, die mit einer Riesenpower von bis zu 2 300 Tonnen Druck die Hasen-Hüllen aus Polycarbonat formen. Geschäftsführer Markus Gebhart blickt auf eine stolze Bilanz: Mehr als 25 000 Formen haben die Designer, Werkzeugmacher und Feinwerkmechaniker bis heute entwickelt. „Täglich kommen im Schnitt zwei neue Formen hinzu.“ Für die altbekannten Gestalten muss ständig gefeilt, gegossen und gepresst werden. Die mächtige Kundschaft von Milka bis Lindt will immer wieder neue Trends in Schokolade gießen. Derzeit ist Retro-Look der letzte Schrei. Vollbusige Hasendamen oder Mümmelmänner mit Walkman? Nichts für die empfindsame deutsche Seele. Bloß kein modischer Schnickschnack! Am beliebtesten sind immer noch die lila- und goldfarbenen Häschen im spinnwebfeinen Alufolien-Kleid. Häufig gewünscht, so Gebhart, seien „Hasen mit Rückenkörbchen“.

Wolkenkratzer aus Kamelmilch-Schokolade

Nicht nur Klassiker wie Hasen und Nikoläuse beschäftigen Schoko-Designer Anton Asanger. Kaum ein Gegenstand des täglichen Lebens, den er nicht schon nachgebildet hat: Handys und Trachtenschuhe, Baumstämme und Bohrmaschinen, Nilpferde und Elche, Autos, Fußballer, Visitenkarten und Smartphones. Selbst eine Schokoversion des welthöchsten Wolkenkratzers „Burj Khalifa“ und Formen für Kamelmilch-Schokolade in Dubai schafften es schon in die Auftragsbücher.

Eine Scheune, zwei Menschen, viele Ideen und wenig Geld - so beschreibt Firmeninhaber Rudi Schwaiger die Anfänge des Familien-Unternehmens 1935. Anfangs wurden die Formen für die Schoko-Hohlkörper noch aus Metall hergestellt. Erst in den 60er-Jahren setzte sich Kunststoff durch. Heute verlassen jährlich fast eine Million Schokoformen die Manufaktur. Nicht nur Schablonen für das Brauchtumsgebäck, auch Hohl-Formen für Pralinen, Schoko-Riegel und Lollies. Das Ostergeschäft ist für Geschäftsführer Markus Gebhart weltweit der Renner: „Deutlich vor Weihnachten und Muttertag.“ Schon seit Jahren ist die süße Variante von Meister Lampe ein Exportschlager: Etwa 44 Prozent der jährlich 190 Millionen Schokohasen aus deutscher Produktion reisen ins Ausland. Wie der süßen Versuchung am besten zu Leibe gerückt werden sollte, fand vergangenes Jahr ein Schweizer Schokoladen-Hersteller per Umfrage heraus. Danach bereiteten mehr als die Hälfte der Befragten dem Schoko-Tierchen einen qualvollen Tod: Sie nagten ihrem süßen Opfer zunächst die Ohren ab, ehe sie sich am Rumpf delektierten. (mz)

Die Schokohasen werden gefräst, gespritzt und gepresst.
Die Schokohasen werden gefräst, gespritzt und gepresst.
S. Braun Lizenz
Die Chance, dass ein Hase in einer Form aus der Fabrik im bayrischen Glonn gegossen wurde, ist hoch.
S. Braun Lizenz
In Handarbeit erstellt Anton Asanger Formen für Schokohasen.
S. Braun Lizenz