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Hedel Amp-Manufaktur Hedel Amp-Manufaktur: Der "Vater der Rockröhren" arbeitet in Halle

Von Steffen Könau 20.11.2014, 10:27
Torsten Hedel (rechts) mit den Musikern von Haudegen in seiner Verstärker-Manufaktur in einer ehemaligen Näherei im Osten von Halle.
Torsten Hedel (rechts) mit den Musikern von Haudegen in seiner Verstärker-Manufaktur in einer ehemaligen Näherei im Osten von Halle. Hedel Amp Lizenz

Halle (Saale) - Hagen Stoll strahlt über das ganze Gesicht. „Das ist wie im Spielzeugladen“, freut sich der Frontmann der Deutschrock-Band Haudegen. Stoll, ein wuchtiger Kerl in schwarzer Kapuzenjacke, steht mit leuchtenden Augen in einem unscheinbaren Zweckbau am Stadtrand von Halle. Über ihm leuchten ein paar Bühnenscheinwerfer, hinter ihm flackert eine Batterie von leise brummenden Röhrenverstärkern. Ein Teil sieht aus wie eine kleine Pagode, edel von innen beleuchtet. Ein Teil steckt in einem alten Holzradio-Gehäuse. „Das gibts doch gar nicht“, staunt Stoll, der zusammen mit seinem Kollegen Sven Gillert Hitparadenerfolge wie „Großvater sagt“ und „Feuer und Flamme“ landete.

Stolls Musiker sind noch beim Einstöpseln der Gitarren und Einpegeln der nach dem englischen Begriff Amplifier „Amps“ genannten Verstärker. Doch es gibt kein Publikum und es ist kein Konzert, das die Kultband aus Berlin hier in der ehemaligen Näherei am Stadtrand spielen will. Die Gitarristen Oliver Bienert und Nils Kühme und Bassist Michar Plöntzke sind in Halle, um neue Instrumente und Verstärker zu testen. Zuerst war die ganze Truppe beim halleschen Gitarrenbauer Norbert Rischke. Von dort ging es weiter zur Amp-Manufaktur von Torsten Hedel.

Für den 47-jährigen Elektroniker, den seine Freunde nur „Mono“ nennen, sind das immer aufregende Momente. Künstler in der Werkstatt, Experten, die seine Verstärker der Edel-Klasse auf Herz und Nieren prüfen. Uwe Hassbecker von Silly war schon hier, ebenso Henning Rümenapp, der Gitarrist der Guano Apes. Auch die Jungs von der US-Band Pothead haben tief in der Musikprovinz Sachsen-Anhalt vorbeigeschaut, um die derzeit vielleicht aufregendsten Verstärker der Welt zu testen. „Als ich angefangen habe, hätte ich davon nicht mal geträumt“, sagt Hedel.

„Das machst du jetzt selbst.“

Denn eigentlich war es kalte Wut, die aus dem Hobbymusiker den Inhaber der einzigen Verstärkermanufaktur Ostdeutschlands machte. „Mein Verstärker ging damals kaputt, der Hersteller wollte ihn nicht reparieren - also habe ich mir gesagt, das machst du jetzt selbst.“ Stunden später hatte Hedel alle Einzelteile säuberlich vor sich liegen. Und die Überzeugung gewonnen: „Da kann ich eigentlich gleich was Besseres bauen.“

„Ich habe das ja mal gelernt“, sagt der Entwickler und Erbauer. Es klingt, als habe er immer schon gewusst, dass seine Verstärker eines Tages Musiker vom halleschen Gitarrengott Christian „Sorje“ Sorge über den Leipziger Jazz-Professor Werner Neumann bis zum schwedischen Stonewall Noise Orchestra und zur ZZ-Top-Coverband Ombrezz begeistern werden.

Wie der Hallenser seine Liebe zum Elektrobass entdeckte, lesen Sie auf Seite 2.

Dabei war das lange Zeit ungewiss. Sieben Jahre Tüftelei, Löten, Schrauben, Testen und Verwerfen brauchte es, bis der erste Hedel-Amplifier losbrüllte. Mit einem 3D-Designprogramm hatte Hedel die Schaltungen entworfen, überall auf der Welt die besten Teile bestellt. „Und das Ganze habe ich dann in das Gehäuse eines alten Röhrenradios gebaut“, erklärt er Haudegen-Sänger Hagen Stoll. Alles an Hedels Verstärkern ist handgemacht, nicht ein einziger Transistor, der Musikfeinschmeckern als Klangkiller gilt, wird verbaut. Wie in der Urzeit der Rockmusik werden die einzelnen Bauteile von Chef selbst auf Trägerplatten gelötet. „Das ist mein Reinheitsgebot“, versichert der Hallenser, der als Kind im Huttenchor sang und später seine Liebe zum Elektrobass entdeckte.

Hagen Stoll, der nach einer Reihe von Haudegen-Hits gerade sein erstes Soloalbum „Talismann“ auf den Markt gebracht hat, hört die Geschichte staunend. „Das ist das, worum es bei Rockmusik geht“, sagt der 39-Jährige, „man sucht und macht und hofft, etwas ganz Besonderes zu finden“. Auch seine Band Haudegen habe den Anspruch, der allgegenwärtigen Musik von der Stange etwas Authentisches entgegenzusetzen.

Boxen und Gitarreneffektgeräte

Für Hagen Stoll ist es deshalb Teil der Haudegen-Idee, ostdeutsches Selbstbewusstsein zu stärken und sich gegenseitig zu unterstützen. In einem Haudegen-Text heißt es „alleine stark, zusammen unschlagbar“ - und so stehen die Musiker hier in der Hedel-Manufaktur und duellieren sich in einer improvisierten Session mit Riffs aus den Rischke-Gitarren. Die knallen druckvoll und transparent zugleich aus Boxen, die Hedel neuerdings ebenso baut wie Gitarreneffektgeräte. „Wir sind immer unterwegs, um Leute wie Torsten und Norbert zu finden“, sagt Stoll. Der Ausflug nach Halle habe sich da schon gelohnt. „Norbert baut herausragende Gitarren, Torsten macht einzigartige Verstärker, hier lebt noch was, hier tun sich Dinge.“

Für den Berliner Rockstar eine Überraschung, für Torsten Hedel das Biotop, in dem er täglich unterwegs ist. „Es gibt so viele kreative Leute in der Region“, schwärmt der Klangpurist, der für die aktuelle Serie seiner Verstärker auf 75 Jahre altes kanadisches Nussbaumholz schwört. Da sind Gitarrenbauer wie Rischke, aber auch Leute, die wie der Hallenser Markus Meyer Cajón-Trommeln, wie Steffen Fischer aus Köthen Dudelsäcke oder wie Bernd Dietz aus Bernburg unglaubliche Bassgitarren herstellen.

Hedels Edelverstärker-Kollektion

Weil das noch viel zu wenig bekannt ist, will der Verstärkerbauer im kommenden Jahr zum Lautsprecher für die ebenso vielfältige wie versteckte Szene im Land werden. „Im Sommer veranstalte ich im Steintor-Variete eine Musikmesse“, sagt Torsten Hedel. Mit dabei als Aussteller sind natürlich Norbert Rischke mit seinen fantastisch geformten E-Gitarren, Rainer Kolanowski mit handgemachten Jazz-Gitarren und Hedels Edelverstärker-Kollektion. Am Abend der Veranstaltungstage sollen, so plant es Torsten Hedel, Bands spielen. Auf der Liste der Stars, die der Hallenser gern dabei hätte, stehen Haudegen neuerdings ganz oben. „Nächstes Jahr vielleicht schon mit Hedel-Amps“, schmunzelt der Hallenser.

www.rischke-guitars.com

www.haudegen.com

www.kolani-gitarren.de

Torsten Hedel (links) und Haudegen-Chef Hagen Stoll in Hedels Verstärker-Manufaktur in einer ehemaligen Näherei im Osten von Halle.
Torsten Hedel (links) und Haudegen-Chef Hagen Stoll in Hedels Verstärker-Manufaktur in einer ehemaligen Näherei im Osten von Halle.
Hedel Amp Lizenz
Torsten Hedel mit einem seiner Verstärker
Torsten Hedel mit einem seiner Verstärker
Mono Hedel Amp Lizenz