Harz Harz: Mieses Klima im Nationalpark
Brocken/MZ. - Die Sicht vom Brocken auf den Nationalpark Harz ist verhangen. Dicker Nebel klebt auf dem Berg, es ist kalt und ungemütlich. Eigentlich wie immer im November. Und doch ist vieles anders. "Die Folgen des Klimawandels im Nationalpark", hat Brockenwirt Hans Steinhoff das Thema seines jüngsten Stammtischs genannt - ob er sich der Doppeldeutigkeit bewusst war?
Die Diskutanten oben auf der wohltemperierten Aussichtsplattform im Brockenhotel wollen jedenfalls nicht über die Folgen des Klimawandels für Fauna und Flora reden. Sondern über die Folgen, die die Fusion der beiden Nationalparke Harz (Niedersachsen) und Hochharz (Sachsen-Anhalt) bislang hatte. Knapp zwei Jahre nach dem bis heute beispiellosen, länderübergreifenden Zusammenschluss zweier Nationalparke wächst der Druck auf die Regierungen beider Bundesländer, vor allem aber auf Nationalpark-Chef Andreas Pusch. Trotz aller Beteuerungen und Drohungen, die da auf dem Brocken von den Umweltstaatssekretären beider Länder abgegeben wurden. Vordergründig geht der Diskurs um Fragen der Waldbewirtschaftung und Borkenkäfer-Bekämpfung. Tatsächlich gibt es wohl eher ein Kommunikationsproblem.
Von "Kahlschlägen", für die er kein Verständnis habe, spricht etwa der langjährige wissenschaftliche Leiter des Nationalparks Hochharz, Uwe Wegener. Bei Ilsenburg sehe der Wald aus "wie eine Panzerübungsstrecke, aber nicht wie ein Nationalpark", klagt Harzklub-Zweigvereinsvorsitzender Karl Berke. Nationalpark-Chef Pusch bemüht sich redlich um Erklärungen, doch damit mehrt er eher die Zweifel. Auf der einen Seite beteuert Pusch, er wolle den Waldumbau sensibel und langsam voranbringen. Auf der anderen verteidigt er massive Holzeinschläge. Angeblich wegen extremen Borkenkäfer-Befalls. Das Problem: Puschs Erklärungsversuche kommen viel zu spät - Monate nachdem die ersten Stämme fielen. "Es fehlt an einer exzellenten Öffentlichkeitsarbeit", klagt Ex-Förster Heinz Springemann. In Schierke etwa frage man sich, warum niemand aus der Nationalpark-Verwaltung mit ihnen rede. "Bei Gaffert war das anders, da gab es Gespräche und Akzeptanz", sagt Springemann.
Springemann ist nicht der einzige, der dem ehemaligen Leiter des Nationalparks Hochharz, Peter Gaffert, hinterhertrauert. Gaffert war das Opfer eines politischen Handels im Fusionsprozess: Sachsen-Anhalt behielt den Nationalpark-Sitz in Wernigerode, Niedersachsen bekam dafür den Chefsessel. "Gaffert hat viel mehr versucht, Verbindungen zu knüpfen, Pusch macht sein eigenes Ding", kritisiert Michael Ermrich. Der ist nicht nur Vorsitzender des Harzklubs, dem größten Heimat- und Wanderverein der Region, sondern auch Landrat des Harzkreises. Bislang hat sich der CDU-Mann mit öffentlicher Kritik am Park und seinem Chef zurückgehalten, doch inzwischen fürchtet Ermrich um die Akzeptanz eines der wichtigsten Aushängeschilder der Region: "Die Verbindung von Nationalpark und Bevölkerung schwindet."
Nein, es liegt nicht an den Rangern und Förstern draußen im Wald. Da ist sich Steinhoffs Brockenstammtisch einig. Es geht um die Kernverwaltung. Dort spricht zwar niemand mehr von Mobbing. So wie noch im vergangenen Frühjahr. Von einem verbesserten Arbeitsklima redet außer Pusch aber auch niemand. Die Angestellten aus dem Westharz wittern ein künstlich herbeigeredetes Ost-West-Problem. Und die Belegschaft aus dem Ostteil des Harzes fühlt sich von Pusch ausgebremst, weil der bis heute nicht den von Sachsen-Anhalts Umweltministerin Petra Wernicke (CDU) geforderten Vermittler berufen hat. "Wir sind im Auswahlverfahren", sagt Pusch und verspricht einen möglichst schnellen Abschluss. So recht glauben mag das nicht einmal im Magdeburger Umweltministerium jemand. Wenngleich Staatssekretär Hermann Onko Aikens (CDU) beteuert, das Zusammenwachsen habe auch dank Pusch große Fortschritte gemacht. Während es Aikens mit Balsam probiert, holt sein niedersächsischer Staatssekretärs-Kollege Christian Eberl (FDP) die Keule raus: Einige Angestellte, die unzufrieden seien, würden falsche Darstellungen verbreiten. "Wenn die nicht mitmachen wollen, muss man sie eben versetzen", so Eberl. Brockenwirt Steinhoff bemüht sich sehr, die Mütchen zu kühlen. "Wir sind ein Harz, da muss es auch einen Nationalpark geben." Doch im Auditorium schauen sich zwei Tourismusmanager an und erklären wie aus einem Mund: "Schön wär's." Das Wetter im Nationalpark will nicht besser werden.