Hafen Halle Hafen Halle: Fische statt Schiffe
Halle (Saale)/MZ. - Von großen Schiffen träumt Dirk Lindemann noch immer. Von Europaschiffen etwa, die 1 350 Tonnen Ware am Stück laden können. Lindemann, seines Zeichens Geschäftsführer der Hafen Halle GmbH, ist von großen Schiffen aber auch Jahre nach dem Hafenausbau weit entfernt. Statt der Riesen-Kähne kommen jetzt kleine Fische. Und neuer Streit um das einstige Prestigeobjekt, das trotz einer 30-Millionen-Euro-Investition in den 90er Jahren für die Güterschifffahrt schlicht kaum nutzbar ist, solange der geplante Saale-Kanal nur auf dem Papier existiert. Seit Jahren hat der Hafen deshalb einen Platz im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. Nun treibt er auch Anglern die Zornesröte ins Gesicht.
Der Grund: Die Hafen GmbH hat das Hafenbecken in Halle Trotha an einen Fischereibetrieb aus Weißenfels verpachtet. Zwar durfte dort nicht geangelt werden. Die Angler aber fürchten, dass die Fischbestände in der Saale drastisch zurückgehen werden, wenn im Hafen wirtschaftlich gefischt wird. Der Streit hat bereits bedrohliche Ausmaße angenommen: "Wir haben an die 30 Drohanrufe bekommen", sagt Hubert Reichardt von der Fischerei Weißenfels. "Man würde uns das Boot versenken oder die Netze zerschneiden." Passiert sei bisher nichts. Das Fischen in Trotha habe aber auch noch nicht begonnen.
Der Zorn von Ralf Möller vom halleschen Anglerverein richtet sich nicht gegen den Fischer. "Wir fühlen uns vom Hafen betrogen", so Möller. "Seit über 15 Jahren haben wir uns für die Wiederansiedlung und Erhaltung von Fischarten eingesetzt." 2010 etwa hatte der Verein 300 Kilo Zander-Laich in die Saale gesetzt. Außerdem hatte er 2003 durch das Einsetzen von 10 000 Rapfen eine einst heimische Fischart wieder angesiedelt.
In den kalten Jahreszeiten nutzen viele Fische das Becken als Ruhezone und verweilen dort, können also leicht abgefischt werden. Um kommerzielles Fischen zu verhindern, hätte der Anglerverein das Hafenbecken gerne gepachtet - hätte er gewusst, dass diese Möglichkeit besteht. "Die Pacht, die wir gezahlt hätten, wäre doppelt so hoch gewesen wie die des Fischers", schätzt Möller. Finanzielle Aspekte hätten bei der Verpachtung aber keine Rolle gespielt, so Hafenleiter Harry Dietrich. Angler seien vom Hafen nicht erwünscht, weiß Fischer Reichardt: Aus Sicherheitsgründen - auf dem umliegenden Bahnhofsgelände könne viel passieren. Der Hafen sei dafür haftbar. "Wir hätten im Hafenbecken nicht geangelt", sagt indes Möller.
Seit Anfang des Jahres hat nun der Fischereibetrieb das etwa sechs Fußballfelder große Hafenbecken gepachtet. Die Fische, die dort gefangen werden, sollen verkauft werden, unter anderem in die Gastronomie. "Wir fischen nachhaltig", betont Reichardt. Verschiedene Arten wie Zander, Karpfen und Hecht würden regelmäßig in die Saale gesetzt werden. Somit trage man zur Artenerhaltung ebenfalls bei. "Dass wir den Anglern die Fische wegfischen, ist ein Vorurteil."
Hafen-Geschäftsführer Lindemann verneint derweil energisch, dass die Verpachtung des Beckens der erste Schritt zum leisen Abschied vom Traum der Güterschifffahrt ist. Es gehe lediglich um die Bestandspflege, sagt er, "um eine vernünftige Population". Die Fische in dem Becken seien alle in einem Alter, "wir haben Angst, dass sie irgendwann alle auf einmal mit dem Bauch nach oben im Wasser treiben." Geld, sagt auch Lindemann, sei nicht entscheidend.
Dabei könnte der Hafen genau das gut gebrauchen. 2005 etwa hatte der Landesrechnungshof noch vorgerechnet: Jeder Euro Umsatz, den der Hafen von 1994 bis 2004 machte, sei mit 4,65 Euro bezahlt worden. Frachtverkehr findet hier nur auf Schiene und Straße statt. Mit steigender Nachfrage, wie die Stadtwerke Halle sagen - der Hafen ist deren hundertprozentige Tochter. 2010 sei Halle das erfolgreichste Containerterminal Ostdeutschlands gewesen. Ohnehin, so Sprecher Stefan Böttinger, seien "nur" vier Millionen in das Hafenbecken geflossen, der Rest in Schiene und Straße, die nutzbar seien. Noch immer, räumt Lindemann indes ein, ist der Hafen aber ein Verlustgeschäft. So ganz ohne große Schiffe.
Hinter die Frage, ob sich daran etwas ändert, hat der Bund zuletzt riesige Fragezeichen gesetzt, als er eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Bundeswasserstraßen ankündigte. Zweifel am umstrittenen 100-Millionen-Projekt Saale-Kanal wurden laut. Ohne den aber, der etliche Windungen der Saale kurz vor der Mündung in die Elbe überbrücken soll, kommen kaum Schiffe bis Halle. Seit Jahren gibt es Streit, Gegner des Projekts halten die Saaleschifffahrt nicht für wirtschaftlich, befürchten durch den Bau des Kanals enorme Naturschäden. Sachsen-Anhalts Landtag bekannte sich zuletzt im Februar knapp mit 46 zu 42 Stimmen zu dessen Bau.
Bis 30. April, so kündigte nun das Bundesverkehrsministerium am Mittwoch an, sollen dem Haushaltsausschuss des Bundestages die Ergebnisse der Prüfung jeder einzelnen Bundeswasserstraße vorgelegt werden. Danach richtet sich auch das Schicksal des Saale-Kanals.
Vorerst bleibt es im Hafen aber noch beim Containerumschlag auf Schiene und Straße. Und bei kleinen Fischen im Becken.