Gesundheit Gesundheit: Dorf bezahlt Hausärztin
UFTRUNGEN/MZ. - Das gibt es nur in Uftrungen (Mansfeld-Südharz) und nirgends sonst in Sachsen-Anhalt: In der Gemeinde Südharz, zu der seit Beginn des Jahres der Ortsteil Uftrungen gehört, arbeitet eine kommunale Arztpraxis. Nina Eckstein, Fachärztin für Allgemeinmedizin, sowie Schwester Heidrun Hesse haben als obersten Dienstherren den Bürgermeister.
Dabei ist dieses Modell ein Relikt aus der Wendzeit. Die früheren staatlichen Arztpraxen der DDR erhielten im Einigungsvertrag Bestandsschutz. "Es gab noch ein paar Kommunen, die solche Einrichtungen hatten, die haben das aber eingestellt", sagt Martin Wenger von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KV).
Ärztin Eckstein und Schwester Hesse erhalten ein tarifliches Gehalt von der Gemeinde. Die Praxis rechnet zudem ihre Leistungen mit den Krankenkassen ab. Unterm Strich stützt die Gemeinde den Betrieb mit rund 10 000 Euro jährlich. Um günstige Arbeitsbedingungen für die Ärztin zu schaffen, hat Uftrungen Ende der 1990er Jahre zusätzlich das Gebäude, in dem sich außer der Praxis auch eine Physiotherapie befindet, modernisieren lassen. "Wir haben damals 75 000 Euro in die Fassade, Fußböden und Fenster gesteckt", sagt Angelika Wernecke von der Gemeindeverwaltung. In den zurückliegenden fünf Jahren kamen Untersuchungsgeräte hinzu, Möbel und Computerprogramme - für insgesamt weitere 36 000 Euro.
"Es war Wunsch der Gemeinde Uftrungen, für die Bürger weiter einen Arzt vor Ort zu haben", sagt Südharz-Bürgermeister Ralf Rettig (CDU). Er hat bei den Verhandlungen zur Gebietsreform als Bürgermeister von Rottleberode mit seinem Amtskollegen Günter Bergner aus Uftrungen am Tisch gesessen. "Alles, was es in den heutigen Ortsteilen gab, wurde in den Gebietsänderungsvertrag eingearbeitet. Da gab es keine Diskussionen. Alle haben zugestimmt", so Rettig.
Die Uftrunger wissen zu schätzen, dass sie nicht weit fahren müssen, wenn sie zum Arzt wollen. "Mein Opa ist Anfang 80 und hat kein Auto, da ist er wie viele andere ältere Uftrunger auf einen Landarzt angewiesen", sagt Jeannette Krukow im Wartezimmer. Dort sitzen auch Jüngere. Denn Eckstein bietet Vorsorgeuntersuchungen für Kinder an, ebenso Langzeit-EKG und Ultraschalluntersuchungen.
Die Reaktionen auf das Uftrunger Modell sind indes unterschiedlich. Für Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt ist es interessant. Da die Kommunen ohnehin in vielen Bereichen die Daseinsvorsorge absichern müssten, hält er die kommunale Arztpraxis für ein vorstellbares Modell. Vorausgesetzt, die rechtlichen und finanziellen Grundlagen seien geklärt. Denn zusätzliche Kosten könnten die wenigsten Gemeinden stemmen.
KV-Sprecher Wenger ist skeptischer. Das Modell könne kaum Schule machen - obwohl vor allem in ländlichen Gebieten Sachsen-Anhalts derzeit 250 Hausärzte fehlen. Kommunen dürften keine Ärzte anstellen, die ihre Leistungen bei den Krankenkassen abrechnen, sagt Wenger. Uftrungen habe nur Bestandsschutz. Und das eigentliche Problem seien die fehlenden Ärzte. "Wir haben sie einfach nicht", so Wenger. Wolle sich jemand als Hausarzt niederlassen, finde sich garantiert eine andere Möglichkeit, das zu unterstützen.
Nina Eckstein, die nach 16-jähriger Tätigkeit als Internistin 1999 mit ihrer deutschstämmigen Familie aus Russland kam, hat sich längst im Südharz eingelebt. Zumal sie ja in Uftrungen wohnt. Deutsch hat sie schon in der Schule gelernt. Umso leichter fiel es ihr, die Sprachkenntnisse auszubauen, sich mit den Gesetzen und der medizinischen Betreuung in Deutschland vertraut zu machen und ihre Diplomprüfung erneut abzulegen. Als sie und ihr Mann drei Jahre als Assistenzärzte am Sondershäuser Krankenhaus arbeiteten, bekam sie das Angebot aus Uftrungen. Und nahm es gern an. So konnte ihre Vorgängerin beruhigt in den Ruhestand gehen. Hätte sich niemand gefunden, wäre die Praxis geschlossen worden.