Geschichte Geschichte: Gefürchteter Grenzübergang wurde zur Gedenkstätte

Marienborn/dpa. - Währendes anderswo in Deutschland nur noch wenige Zeugnisse der Teilunggibt, ist der einst gefürchtete Grenzübergang Marienborn-Helmstedtnoch gut erhalten. Teile der seinerzeit größten Übergangsstellezwischen beiden deutschen Staaten wurden sogar originalgetreu wiederhergestellt. Wo bis 1989/1990 etwa 1000 DDR-Grenzbeamte, Zöllner undStasi-Leute Dienst taten, befindet sich seit nunmehr zehn Jahren dieGedenkstätte Deutsche Teilung.
«Marienborn, früher ein weltweit bekanntes Symbol der TeilungEuropas, hat sich vom Bollwerk zu einem Ort des Gedenkens, despolitischen Lernens und der Begegnung gewandelt», sagtGedenkstättenleiter Joachim Scherrieble anlässlich des zehnjährigenJubiläums, das an diesem Sonntag mit dem 45. Jahrestag des Mauerbauszusammenfällt. «Hier ist Geschichte auf besondere Weise erlebbar.»1,3 Millionen Besucher nutzten diese Möglichkeit seit Gründung derGedenkstätte am 13. August 1996 - individuell oder im Rahmen vonFührungen, Seminaren und Projekttagen, bei denen zum BeispielZeitzeugen vor allem jungen Leuten Rede und Antwort stehen.
Kernstück der Gedenkstätte ist das Stabsgebäude, in dem früher dieKommandeure der DDR-Grenztruppen und die Stasi-«Passkontrolleinheit»saßen. Heute befindet sich hier ein Dokumentationszentrum mit einerDauerausstellung, in der es um Ursachen für die deutsche Teilung, umdie Ausbildung der DDR-Grenzsoldaten, Fluchtversuche, Ausbau undschließlich Abbau von Mauer und Stacheldraht geht.
Nebenan steht ein überdachter Terminal mit Kontrollhäuschen, indenen Stasi-Mitarbeiter einst penibel jeden Pass der Reisendenfotografierten und registrierten. Vom «Führungsturm» aus hatten dieKommandeure einen Überblick über den Grenzübergang. Bei Alarm löstensie «Fiffi» aus, einen Betonrammbock, der bei Fluchtversuchen auf dieFahrbahn Richtung Westen schnellte, um diese zu blockieren. Zu sehenist auch eine so genannte Kontrollbox, in der der DDR-Zollwestdeutsche Fahrzeuge bei der Ausreise nach verbotenen Waren oderversteckten DDR-Flüchtlingen durchsuchte. «In Planung haben wir eineAusstellung über das DDR-Zollwesen», blickt Scherrieble voraus.
Träger der Gedenkstätte ist das Land Sachsen-Anhalt, rund einehalbe Million Euro stellt es jährlich zur Verfügung. Aus Sicht vonMinisterpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hat die Einrichtung geradewegen ihres hohen Anschauungswertes eine große Bedeutung, um an denKalten Krieg und seine Auswirkungen zu erinnern. «Die nächstenGenerationen werden sich gar nicht mehr vorstellen können, wie daswar, als Deutschland geteilt war», sagt der Regierungschef.
Westdeutsche haben den Übergang, der zur Einschüchterung derReisenden bewusst größer als nötig gehalten war, vor allem wegenhäufig langer Wartezeiten und Schikanen durch DDR-Grenzbeamte inErinnerung. Die meisten Ostdeutschen bekamen ihn erst nachMaueröffnung zu sehen. Vorher war es ihnen nicht gestattet, imSperrgebiet so nah an die «Westgrenze» heranzukommen, geschweige dennsie zu überschreiten.
Eingerichtet wurde der Kontrollpunkt Marienborn-Helmstedt bereitsim Sommer 1945 von den alliierten Siegermächten. Vor allem Anfang der70er Jahre baute ihn die DDR für 70 Millionen Ost-Mark zu einerFestung an der Transitstrecke zwischen der Bundesrepublik und demWestteil Berlins aus. Allein von 1984 bis 1989 fertigten dieBediensteten 10,5 Millionen Personenwagen und Motorräder, 4,9Millionen Lastwagen und 140 000 Busse ab - zusammen 34,6 MillionenReisende. Offiziell eingestellt wurden die Kontrollen an der «GüstMarienborn», wie es im DDR-Jargon hieß, am 30. Juni 1990 um 24.00Uhr, wobei der Übergang seinen Schrecken bereits mit dem Mauerfall1989 verlor.