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Gemeinde Sössen Gemeinde Sössen: Dorf im Kreis Weißenfels lebt vom Ruf als Steueroase

Von Steffen Höhne und Heike Riedel 21.12.2004, 20:16

Sössen/MZ. - Wenn Bürgermeister Dirk Könnecke (parteilos) auf die Kontoauszüge seiner Gemeinde Sössen schaut, wird ihm noch immer "ganz schwindlig". Die mit 250 Einwohnern kleinste Gemeinde im Landkreis Weißenfels ist eine der reichsten in ganz Sachsen-Anhalt. Rund 21 Millionen Euro hat die im Ort ansässige Deutsche Bank Tochter DB Value GmbH mit weiteren Gesellschaften dieses Jahr an Gewerbesteuer überwiesen. "Mit solchen Zahlen musste ich bisher nicht umgehen", erklärt der 40-jährige Bürgermeister. Seit drei Jahren ist der gebürtige Hannoveraner im Amt. Mit seinem Namen wird wohl einmal die erfolgreichste Zeit der Gemeinde verbunden werden.

Vor gut einem Jahr meldeten sich Frankfurter Banker telefonisch bei ihm und fragten nach Büroräumen. "Als wenige Tage später zwei Herren im dunklen Anzug bei uns im Gemeindehaus standen, dachten wir an einen Jux", erzählt Könnecke. Für den Weißenfelser Landrat Rüdiger Erben (SPD) war jedoch schnell klar: "Hier steht ein solventer Steuerzahler."

Nur eine Hand voll von Gemeinden in Deutschland bieten wie Sössen den geringstmöglichen Gewerbesteuerhebesatz von 200, der für Großunternehmen lukrativ ist. Der Bundesschnitt liegt bei 386. Um Steuerdumping vorzubeugen, müssen bei einem Wert von unter 199 Tochterfirmen den Hebesatz des Mutterkonzerns zahlen.

Die DB Value war zunächst in einer Steueroase in Nordfriedrichskoog (Schleswig-Holstein) ansässig. Als dort der Hebesatz unter die kritische Marke von 199 fiel, suchte sich die Deutsche Bank-Tochter in Sachsen-Anhalt ein neues kleines "Steuerparadies". Zwei Sekretärinnen und sechs Banker zogen in drei Räume des neu gebauten Feuerwehrhauses der Gemeinde Sössen ein. "Die DB Value verwaltet Industriebeteiligungen beispielsweise von Daimler-Chrysler", sagt Bank-Sprecherin Evelyn Koch.

Mit dem unverhofften Geldregen gehen die Sössener bescheiden um. Die 21 Millionen Gewerbesteuer liegen auf der Bank - ausgegeben werden nur die Zinsen in Höhe von 144 000 Euro. Die Gemeinde hat die Ausrüstung der Feuerwehr aufgestockt, zwei Buswartehäuschen gebaut und ein Gemeindehaus saniert. "Auch wenn wir könnten, wir werden keine Gehwege aus Marmor oder eine Schwimmhalle bauen", sagt Könnecke.

Ohnehin wird Sössen am Ende nur den kleinsten Teil der 21 Millionen für sich behalten können. Die Gemeinde muss unter anderen Abgaben an den Bund, das Land und den Kreis bezahlen. Sössen blieben noch rund zehn Prozent der Einnahmen, sagt Verwaltungsleiter Volmar Klug. Doch selbst die scheinen in Gefahr, so der Bürgermeister. Mit der vergangene Woche im Landtag verabschiedeten Änderung des Finanzausgleichsgesetzes sollen in Zukunft reiche Gemeinden wie Sössen ärmeren Kommunen finanziell helfen. Berechnungen nährten die Angst, dass Sössen damit sogar ins Minus gerät. Doch Verwaltungschef Klug verweist auf Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), der dies in einem Brief ausschließt.

Im Landratsamt herrscht dagegen Vorfreude, dort rechnet man mit Abgaben aus Sössen in Millionenhöhe. "Wir können damit im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Kreishaushalt erreichen." Als Landrat Erben dies sagt, rutscht er aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her.

Bürgermeister Könnecke übt sich derweil in Bescheidenheit. Nächstes Jahr sollen die Straßen erneuert und Feldwege zu benachbarten Orten angelegt werden. Dabei zeigen sich die Sössener solidarisch: "Die neu gebauten Wege werden nicht an der Gemeindegrenze enden."