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Geburtshelferin aus Leipzig Geburtshelferin aus Leipzig: Als Hebamme ins Ebola-Gebiet nach Afrika

Von Christiane Raatz 10.11.2014, 07:54
Hebamme Annett Böhme hält in Leipzig ein Foto in der Hand, das sie Ende Oktober während eines Vorbereitungskurses für Delegierte in das Ebola-Gebiet zeigt.
Hebamme Annett Böhme hält in Leipzig ein Foto in der Hand, das sie Ende Oktober während eines Vorbereitungskurses für Delegierte in das Ebola-Gebiet zeigt. dpa Lizenz

Leipzig - Ihren letzten Urlaub hat Annett Böhme damit verbracht, schusssichere Mauern zu bauen, brennende Menschen zu retten und zu lernen, wie man Landrover fährt und ein Satellitentelefon bedient. In den Kursen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hat die 52-jährige Hebamme aus Leipzig außerdem erfahren, wie man sich bei einem Überfall verhält und welche verschiedenen Schusswaffen und Minen es gibt. Wenn die resolute Frau von den Wochen berichtet, für die sie ihren Jahresurlaub geopfert hat, spricht sie von einem „Survivaltraining“ und einer „wichtigen Lebenserfahrung“.

„Was schwangere Frauen da durchmachen müssen, ist furchtbar“

Mehrwöchige Vorbereitungskurse müssen alle freiwilligen Helfer durchlaufen, die sich beim DRK für einen Auslandseinsatz melden. Böhme, freiberufliche Hebamme, will nun schwangeren und gebärenden Frauen in Westafrika helfen - in den Regionen, die besonders von dem Ebola-Ausbruch betroffen sind. „Was schwangere Frauen da durchmachen müssen, ist furchtbar“, sagt Böhme. Schon mit einfachen Mitteln könne man sich um die Vorsorge kümmern, weiß die erfahrene Hebamme. Mit Bandmaß, Holzstethoskop und Waage.

Das Ebola-Virus ist zwar sehr gefährlich, aber nicht hochansteckend. Laut Weltgesundheitsorganisation gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Erreger über andere Wege als den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten eines Erkrankten überträgt. Das Virus gelangt durch die Schleimhäute in den Körper, etwa durch Mund oder Augen. Auch Wunden und Verletzungen sind mögliche Eintrittsstellen. Blut, Fäkalien und Erbrochenes von Patienten sind die am stärksten infektiösen Substanzen. Zudem wurde das Virus in Muttermilch, Urin und Sperma nachgewiesen.

Infizierte Menschen sind erst ansteckend, wenn sie erste Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Muskel- oder Halsschmerzen entwickeln. Das bedeutet umgekehrt, dass Menschen in der Inkubationszeit - also in der Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit - Ebola nicht weitergeben können. Diese Spanne liegt zwischen zwei und 21 Tagen.

Die Forschung über die Ebola-Krankheit fördert das Bundesforschungsministerium mit weiteren fünf Millionen Euro. „Wir brauchen dringend verlässliche Diagnose- und Behandlungsmethoden“, erklärte Ministerin Johanna Wanka (CDU) gestern. Bei den neu geförderten Projekten gehe es um die Entwicklung von Prophylaxemöglichkeiten und klinische Prüfungen von Impfstoffkandidaten. Zu den Forschungsvorhaben gehöre auch die Entwicklung eines Schnelltests.

Zwei Impfstoffe gegen Ebola werden bereits an Menschen getestet. In Tierversuchen hätten beide einen hundertprozentigen Schutz gezeigt, sagte gestern Marylyn Addo vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung in Hamburg. Der eine Impfstoff werde seit September in den USA, Großbritannien und Mali getestet. Der zweite - ein Lebend-Impfstoff, der zum Teil in Marburg entwickelt wurde - werde in Kürze in der Schweiz, Gabun, Kenia und Deutschland getestet.

In einer ersten Phase werde der Impfstoff 30 gesunden Freiwilligen gespritzt, um die Verträglichkeit zu testen. In Phase zwei könnten bereits Tausende Menschen in Afrika einbezogen werden, sagte Klaus Cichutek, Leiter des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts. Er geht davon aus, dass 2015 die abschließenden Phase-3-Studien beginnen könnten: „Es geht voran - und schneller als gedacht.“

Schon immer sei es ihr Traum gewesen, ins Ausland zu gehen und zu helfen, berichtet Böhme. Allerdings wollte sie damit warten, bis ihr Sohn erwachsen ist. Nun ist er 21 Jahre alt und hat Verständnis für ihren Wunsch. Ebenso wie ihr Ehemann, ebenfalls Mediziner. Beide haben ihr ein Notfall-Paket geschenkt - einen Rucksack mit Schlafsack, Taschenlampe, Batterien und dem Notwendigsten.

Wie die Vorbereitungen auf den Einsatz ablaufen, lesen Sie auf Seite 2.

So wie die Hebamme sind derzeit Hunderte Rotkreuzhelfer bereit, beim Kampf gegen Ebola zu helfen. Wie viele Freiwillige aus Sachsen sich für einen Einsatz gemeldet haben, kann der DRK-Landesverband nicht sagen. Alle Anfragen laufen über eine bundesweite Hotline. Dort haben laut DRK bisher mehr als 2600 Ärzte und Helfer ihr Interesse bekundet, eingegangen sind rund 800 Bewerbungen. 300 dieser Interessenten sind geeignet. Derzeit hätten die Mitarbeiter alle Hände voll zu tun, um die Bewerbungen zu sichten, erklärt Landesverbandssprecher Alexander Löcher. Zumindest für die nächsten zwei bis drei Monate könne damit der Personalbedarf vor Ort abgedeckt werden.

Mit Kurs auf Ebola-Einsatz vorbereiten

Gesucht werden nicht nur Ärzte, sondern auch Hebammen, Krankenpfleger, Rettungsassistenten oder Labortechniker. Sie sollten Englisch sprechen, kein Problem mit tropischen Temperaturen haben und müssen sich in einem speziellen Kurs auf Ebola vorbereiten: Sie proben den Einsatz vor Ort sowie den Umgang mit den Kranken. „Und vor allem das An- und Ausziehen der Schutzanzüge“, so Löcher. Das Arbeiten in den Plastikanzügen bei Temperaturen um die 40 Grad sei „extrem anstrengend.“ Derzeit sind für das DRK 200 nationale und 24 internationale Helfer im Ebola-Zentrum im Südosten von Sierra Leone im Einsatz.

Dieser dauert in der Regel vier Wochen. Danach rät das DRK zu einer freiwilligen dreiwöchigen Quarantäne. Mindestens zweimal täglich sollen die Helfer in dieser Zeit Fieber messen, um Symptome von Ebola frühzeitig zu erkennen.

Die Sächsische Landesärztekammer klärt derzeit mit Infoveranstaltungen und in der Fachpresse über Ebola auf. Damit Ärzte Risikopatienten rasch erkennen und wissen, was im Ernstfall zu tun ist. „Es herrscht eine gewisse Unsicherheit unter den Ärzten“, sagte Patricia Klein von der Landesärztekammer. Mediziner, die helfen wollen, könnten über verschiedene Hilfsorganisationen nach Westafrika gehen. Einen Überblick über die Zahl aller Helfer aus Sachsen gibt es daher nicht.

Wann und wo ihr Einsatz losgeht, weiß Hebamme Annett Böhme nicht. Jederzeit kann der Anruf kommen. Noch ist sie gelassen. „Mein Umfeld ist aufgeregter als ich.“ Die 52-Jährige sieht sich gerüstet. Für die schwangeren Frauen, die sie betreut, hat sie eine mehrwöchige Vertretung organisiert. Angst vor dem Ebola-Einsatz hat Böhme nicht. „Ich gehe respektvoll damit um. Aber Angst wäre ein falscher Freund.“ Hier stehe gebärenden Frauen eine medizinische High-Tech-Betreuung zur Verfügung, auf der anderen Seite der Welt würden dagegen viele Frauen die Geburt nicht überleben. „Da muss man einfach etwas tun.“ (dpa)