Freiwillige Freiwillige: «Neue Alte» mischen weiter mit
HALLE/MZ. - Und man merkt ihr an, dass ihr diese Freundschaft eine Menge bedeutet. Vor gut einem Jahr ist sie aus Teheran geflüchtet, wo sie als Frau, die sich für mehr Frauenrechte einsetzte, nicht mehr sicher war. Angekommen in Halle, war sie erst einmal allein. Die beiden wären sich sicher nie begegnet, wäre Strowick nicht eine so energiegeladene Frau, die auch in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit "nicht nur stricken, lesen und in den Urlaub fahren" möchte, wie sie sagt. Sie wollte sich engagieren.
Ein Patennetzwerk für Migrantinnen in Halle - das ist der Traum von Strowick und ihren beiden Mitstreiterinnen Christel Fischer und Martina Fließ. "Wir möchten den Frauen, die ja oft isoliert sind, das Einleben in die deutsche Kultur und Sprache erleichtern", sagt Strowick, die bis vor zwei Jahren eine Grundschule geleitet hat.
Treffen der Migrantinnen
Im Frauenflüchtlingshaus und im Mehrgenerationenhaus treffen sie die Migrantinnen. Da wird zusammen gekocht, man geht ins Kino, macht ein Picknick oder verabredet sich einfach, um miteinander zu reden. Noch beschränkt sich das Patennetzwerk darauf, dass das ehrenamtliche Trio selbst solche Freizeitaktivitäten und Deutschstunden anbietet: "Wir haben dafür zwar schon oft materielle Hilfe bekommen", berichtet Ursula Strowick - doch ehrenamtliche Paten zu finden, sei schwierig. "Der Schritt zur aktiven Mitarbeit fällt vielen dann doch schwer."
Dabei braucht Sachsen-Anhalt noch viel mehr aktive Senioren wie sie, sagt Olaf Ebert, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen: "Gerade in unserem Bundesland wird die Bevölkerung zwar immer älter - aber Ältere sind laut Untersuchungen hier noch eher unterdurchschnittlich engagiert." Das macht die Länderstudie "Freiwilligensurvey Sachsen-Anhalt" aus dem Jahr 2004 deutlich.
Das Ehrenamt ist heute für viele eben nicht allein eine sinnstiftende Tätigkeit, sondern auch Qualifizierung. So lässt sich womöglich der hohe Anteil Jüngerer erklären: Wo doch das Ehrenamt nicht mehr nur in Sozialberufen als besonders förderlich für die Karriere gilt, weil es die so wichtige Sozialkompetenz fördert.
Doch gerade die immer größer werdende Gruppe der Älteren könnte der Freiwilligenarbeit "mit ihrem enormen Erfahrungs- und Wissensschatz neue Impulse geben", so Ebert. "Das Potenzial, das ältere Menschen im vom demographischen Wandel besonders betroffenen Osten Deutschlands in das Gemeinwesen einbringen können, wird noch nicht hinreichend erkannt", sagt auch Stefan Bischoff vom Kölner Institut für Sozialwissenschaftliche Analysen und Beratung. Der Soziologe leitet im Auftrag der Robert Bosch Stiftung ein Programm, das an diesem Punkt ansetzt.
In zwölf Städten
Das Ziel dieses für drei Jahre von der Stiftung geförderten Programmes steckt schon in seinem Namen: "Den demographischen Wandel in Kommunen mitgestalten - Erfahrungswissen der Älteren nutzen". In zwölf ostdeutschen Städten und Regionen - darunter Halle, Bitterfeld-Wolfen und Magdeburg - werden ältere Bürger als sogenannte Senior-Trainer ausgebildet. Als solche sollen sie ihre Ideen für ehrenamtliche Projekte umsetzen und weitere Freiwillige anleiten.
Entscheidend bei der Auswahl der Orte war, dass sich die jeweilige Kommune beteiligt, um den Bestand der Projekte zu sichern, so Bischoff. Auch Ursula Strowick hat die Ausbildung zum Senior-Trainer gemacht, die in Halle von der Freiwilligenagentur begleitet wird. Dort wurde sie nicht nur in Sachen Antragstellung, Sponsoren-Akquise und Öffentlichkeitsarbeit fit gemacht, sondern lernte auch ihre heutigen Ehrenamtskolleginnen kennen.
Suche nach Mitstreitern
"Wir müssen unsere Altersbilder korrigieren", sagt Stefan Bischoff. Insofern sei das Programm auch auf der Suche nach den "neuen Alten": Senioren, die sehr viel aktiver sind als frühere Generationen. Menschen wie Ursula Strowick, die beim Interview darauf beharrt: "Schreiben Sie bloß nicht ,rüstige Rentnerin'." Für sie und ihre beiden Mitstreiterinnen sei es selbstverständlich gewesen, sich auch in der Zeit nach dem Beruf eine Aufgabe zu suchen. "Keine von uns konnte sich vorstellen, nur zu Hause zu sitzen", sagt Strowick. Schließlich kann solch ein Ehrenamt sehr erfüllend sein, wie die Hallenserin betont: "Ich lerne so viel über andere Kulturen, habe ständig neue, interessante Gesprächspartner und spüre, dass sehr viel von den Migrantinnen zurückkommt - auch, wenn das nicht die Gründe sind, warum ich das mache."
Die Freude am freiwilligen Engagement kann schließlich auch ansteckend sein, wie wiederum Nasrin Noursaadat beweist: Seit einigen Wochen arbeitet die Iranerin regelmäßig in der halleschen Kindertagesstätte "Kinderinsel". Ehrenamtlich.