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Fördermittelbetrug am Kiez Güntersberge Fördermittelbetrug am Kiez Güntersberge: Ramponiertes Juwel

Von Hendrik Kranert-Rydzy 28.10.2014, 19:52
Im Kiez Güntersberge soll mehr Steuergeld ausgegeben worden sein, als der Einrichtung zustand.
Im Kiez Güntersberge soll mehr Steuergeld ausgegeben worden sein, als der Einrichtung zustand. Chris Wohlfeld Lizenz

Güntersberge - Das Kinder- und Erholungszentrum (Kiez) am Rande des Harzstädtchens Güntersberge ist so etwas wie ein landespolitisches Juwel: Wer immer konnte, fuhr hinauf in die adrette Bungalowsiedlung, die aus einem einstigen DDR-Pionierlager entstanden war. Der verstorbene Regierungschef Reinhard Höppner (SPD) war einer der ersten, seine Frau mehrfach Schirmherrin des Eurocamps, einer jährlichen Veranstaltung mit Kindern aus der ganzen Welt. Zuletzt war es die halbe amtierende Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Reiner Haseloff, aber auch Landtagspräsident Detlef Gürth (beide CDU), die sich mit dem Kiez schmückte.

Bei so viel Politprominenz scheint wohl manchem Landesbeamten mulmig geworden zu sein - und so wurde offenbar die Verwendung von Millionen Euro Fördermitteln unter Kiez-Chefin Christiane Brandenburg für sakrosankt erklärt. „Bestimmte Bereiche der Landesverwaltung haben nur mit spitzen Fingern geprüft“, sagte Ralf Seibicke, Chef des Landesrechnungshofs. So sei es „äußerst bedenklich“, dass das Landesverwaltungsamt anonymen Hinweisen nicht „mit gebotener Sorgfalt“ nachging.

Auf mindestens 220 000 Euro bezifferte Seibicke den Schaden, der dem Land infolge Missbrauchs und mangelnder Kontrolle in den Jahren 2007 bis 2013 entstanden sei. Das wären zehn Prozent der gesamten Fördermittelsumme. Bereits im Juni war durch einen MZ-Bericht bekanntgeworden, dass im Kiez offenbar über Jahre hinweg Manipulationen erfolgten, um mehr staatliche Hilfen akquirieren zu können. Das Ausmaß der Verstöße war so groß, dass Seibicke bereits vor Ende der Prüfungen das Sozialministerium und die Staatsanwaltschaft einschaltete. Laut Seibicke wurden etwa Leistungen für Kinder abgerechnet, die überhaupt nicht im Kiez waren; Altersangaben von Teilnehmern wurden gefälscht, Leistungen doppelt abgerechnet. Zudem seien Rechnungen nachträglich geändert worden, um mehr Geld zu erhalten.

Hinzu kommen Einsparmöglichkeiten von fast einer halben Millione Euro. So wurden Veranstaltungen wie Empfänge (ohne Kinderbeteiligung) abgerechnet oder etwa der Dreh eines russischen Fernsehsenders inklusive Flug bezahlt. Eigene Veranstaltungen rechnete das Kiez laut Seibicke zudem um bis zu 70 Prozent günstiger ab, als jene, für die es Fördermittel gab. Seibicke sprach von einem „bewussten und durchdachten Handeln“. Demnach gab es ein schwer durchschaubares Konstrukt aus mehreren Vereinen. „Eine große Rolle dabei spielt, dass stets ein und dieselbe Person vertretungsbefugt war“, so Seibicke. Gemeint ist Ex-Kiez-Chefin Christiane Brandenburg. Gegen sie und sechs weitere Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft Magdeburg wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs.

Laut Seibicke hat der Landesverband der Kieze bislang als einziger eingeräumt, dass es „nichts zu beschönigen gibt“. Andere Beteiligte hätten die Veröffentlichung im Prüfbericht verhindern wollen. Christiane Brandenburg war Dienstag nicht erreichbar; der Vorstand des Landesverbandes ist derzeit geschlossen in Afrika. Nachfolger Brandenburgs ist der ehemalige kaufmännische Direktor des Klinikums Quedlinburg, Hans-Volkhard Hecht - er ist seit vier Tagen im Amt: „Ich will das hier oben erhalten, das sind wir allein schon den Mitarbeitern schuldig.“ Ansonsten müsse er sich erst einmal einen Überblick verschaffen und Gespräche mit den Fördermittelgebern führen, sagte Hecht.

Das Sozialministerium jedenfalls reagierte erleichtert. „Damit ist eine ordnungsgemäße Geschäftsführung des Kiezes wieder gewährleistet“, sagte Sprecher Holger Paech. Das Landesverwaltungsamt wies die Vorwürfe des Rechnungshofs wortreich zurück - und hat Konsequenzen gezogen: Projektträger ohne eigene Infrastruktur mit derart komplexer und miteinander verflochtener Förderstruktur erhielten kein Geld mehr. (mz)