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Flugplatz Allstedt Flugplatz Allstedt: Auf der Bremse

Von Katrin Löwe 22.12.2011, 20:35

Allstedt/MZ. - Im Heimatverein, da müssen sie nur ihr großes Protokollbuch öffnen. Unzählige Seiten sind gefüllt, jeden Monat legen sie fest, welche Ereignisse aus Allstedt (Mansfeld-Südharz) in die Ortschronik einfließen sollen. Der Flugplatz taucht oft auf. "Spekulationen haben wir schon weggelassen", sagt Vereinsmitglied Gerald Eichentopf. Sonst hätten die drei Wälzer in 20 Jahren wohl kaum gereicht. Seit die sowjetischen Streitkräfte den in den 50ern errichteten Militärflugplatz verlassen haben, sorgt der immer wieder für Schlagzeilen. Mancher Traum vom großen Geschäft mitten im Wald ist geplatzt wie eine Seifenblase.

Russische Kleinstadt

Bis Anfang der 90er Jahre existierte dort oben, zwei Kilometer vor dem Ort, eine eigene kleine Stadt für die Sowjets, "Allstedt 2". Mit eigener Buslinie, Schule, um die 20 Wohnblocks, großem Kultursaal. Die Männer vom Heimatverein erinnern sich gut, wie das damals war. Als Frank Schöbel und Eberhard Cohrs dort oben spielten. Als es Radeberger Bier, Erdnüsse, Technik oder begehrte Textilien auch für die Dorfbewohner dort zu kaufen gab. Natürlich gab es auch beunruhigende Seiten. Abgestürzte Düsenflieger, ein verunglückter Hubschrauber. Und der Lärm, der ein ums andere Mal im Ort die "Buden wackeln" ließ. "Gegen den konnten Sie damals aber öffentlich nichts sagen", sagt Helmut Kunert.

Später, das 480 Hektar große Gelände war seit 1993 im Eigentum Sachsen-Anhalts, machten die Menschen den Mund auf. Riesig war der Aufschrei, als auf dem ehemaligen Militärareal ein Lager für radioaktive Abfälle entstehen sollte. Groß der Protest, als vor einigen Jahren eine riesige Schweinemastanlage geplant war. Und zwischendrin: Da kamen Investoren und gingen. Eine Motorsport-Rennstrecke war 1998 geplant, 310 Millionen Mark teuer. Ein breitgefächertes Projekt von asiatischer Pilzzucht über eine riesige Modellbahnanlage, das weltgrößte Riesenrad bis hin zur Fahrzeugproduktion buhlte zeitgleich um das Gelände. Doch die Aufbruchsstimmung in der Region mit damals 22 Prozent Arbeitslosenquote war schnell wieder gedrückt - das Land machte Altlastenprobleme und eine fehlende Erschließung dafür verantwortlich.

2005 beschloss es, das Areal an ein Konsortium zu verkaufen, zu dem die potenziellen Schweinemastbetreiber Nooren aus Holland gehörten. Das Projekt Mastanlage scheiterte ebenfalls, heute errichtet Jacobus Nooren auf zunächst 55 Hektar einen Solarpark - nach einem Sägewerk die einzig größere Investition auf dem Gelände.

Auf dem Flugplatz selbst indes, da war seit 1995 stets Betrieb. Er wird von Monika und Ulrich Reinicke im Auftrag der landeseigenen Immobiliengesellschaft Limsa betrieben. Deren Flugschul- und Chartergeschäft läuft dort, Hobbyflieger, Geschäftsleute, die Kunstflug-Nationalmannschaft, die Bundeswehr oder ein Unternehmen, das Drohnen für geologische Erkundungen erprobt, nutzen ihn. Reinicke spricht von bis zu 9 000 Flugbewegungen jährlich - ohne riesige Investitionen, wie es sie andernorts gab. Hier dröhnt noch immer ein alter Stromgenerator, die Flugleitung sitzt in einem Bauwagen. Doch dem Flugplatz drohte nun ernsthafte Gefahr. Seit Jahren will sich die Limsa zurückziehen. Die Bildung einer kommunalen Betreibergesellschaft, die die Genehmigung für den Betrieb des Sonderlandeplatzes übernehmen müsste, scheiterte gerade aber am Votum der Allstedter Stadträte. In letzter Minute ist der Vertrag mit der Limsa erneut verlängert worden, die Betriebskosten trägt Nooren. Bis Mitte 2012 muss nun jedoch eine Betreiberlösung her.

"Der Flugplatz ist ein Aushängeschild", sagt Bürgermeister Jürgen Richter (CDU). Und nahe der A 38 eine Hoffnung, für zehn Hektar ausgewiesenes - aber noch unerschlossenes - Gewerbegebiet doch noch Ansiedlungen zu finden. Zuletzt habe es vor drei, vier Jahren um die 20 Interessenten gegeben - die Wirtschaftskrise sei dazwischengekommen. Reinicke indes sieht den Grund auch woanders: in fehlender Rechtssicherheit über die Zukunft des Flugplatzes als Standortfaktor. Für den gab es Verträge immer nur in Jahresscheiben.

Hoffnung auf Jobs

Im Heimatverein wird man die Debatten nun weiter verfolgen, obwohl sie "den meisten schon zum Hals raushängen", wie es in der Runde heißt. "Was soll man sich da noch aufregen?", fragt Hans Haarsein (75). In einem sind sie sich aber mit dem Bürgermeister einig. Die Hoffnung auf ein paar Arbeitsplätze, "die stirbt zuletzt".