1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Firma aus Halle: Firma aus Halle: Institut für Textoptimierung kämpft gegen Bürokratendeutsch

Firma aus Halle Firma aus Halle: Institut für Textoptimierung kämpft gegen Bürokratendeutsch

Von Anne Schneemelcher 17.12.2015, 19:04
Ulrich Peinhardt aus Halle weiß, wie man sich einfach ausdrückt.
Ulrich Peinhardt aus Halle weiß, wie man sich einfach ausdrückt. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Wer eine Regenrinne an sein Haus bauen möchte, muss einen Antrag auf eine „Grundstücksentwässerungsanlage“ stellen. Ähnlich kompliziert drücken sich Polizisten aus, beispielsweise wenn sie von der „Abstandseinhaltungserfassungsvorrichtung“ reden und dabei schlicht und einfach weiße Querstreifen auf der Autobahn meinen. Der deutsche Wortschatz ist ebenso vielfältig wie kompliziert, was manche auf die Probe stellt: Angefangen von Nicht-Muttersprachlern wie Migranten bis hin zu funktionalen Analphabeten oder Menschen mit Behinderung. Ihnen kann der Hallenser Ulrich Peinhardt helfen.

Denn darin, Dinge einfacher auszudrücken, ist Peinhardt Spezialist. Zahlreiche Lehrlinge haben ihm und der Arbeit seiner Firma das Bestehen ihrer Prüfung zu verdanken. Peinhardt hat sich auf das Optimieren und Umschreiben von Prüfungsaufgaben spezialisiert. Er ist Geschäftsführer des halleschen Institutes für Textoptimierung (kurz: Ifto). Das Institut verbannt aus Aufgaben Fremdwörter, Synonyme, Schachtelsätze und überflüssige Sprachanreicherungen. Auch bürokratisches und umständliches Kauderwelsch fliegt raus, wobei der ursprüngliche Schwierigkeitsgrad erhalten bleibt.

Derzeit profitieren vorrangig Menschen mit Hörbehinderung davon. Aber gerade in Bezug auf die steigende Zahl von Asylbewerbern, die einen eingeschränkten deutschen Wortschatz haben, ist das Umschreiben in einfache Sprache gefragt. Eine Anfrage von einem Berufskolleg aus Würzburg, Prüfungsaufgaben für Flüchtlinge zu vereinfachen, ist bereits in Halle eingegangen.

Behörden bieten Informationen in leichter Sprache an

„Fehlende Deutschkenntnisse sollten keine Hürde für die berufliche Qualifikation sein“, sagt der 35 Jahre alte Peinhardt, dessen Institut bereits Aufgaben von mehr als 40 verschiedenen Berufsgruppen übersetzt hat: Angefangen vom Anlagenmechaniker bis hin zum Floristen oder dem zukünftigen Buchbinder. Kammern aus ganz Deutschland gehören zu den Auftraggebern.

Durch die verbesserte Verständlichkeit könne sich der Prüfling besser auf den Kern der Frage konzentrieren, was die Erfolgsquote erhöhe. Vielen Menschen fällt es schwer, komplexe Texte zu erfassen. „Das heißt aber nicht, dass sie deshalb schlechtere Fachleute sind oder die Fragen nicht beantworten können“, sagt Annette Jacob vom Zentralen Fachausschuss Druck und Medien (ZFA).

Seit 2010 lässt das ZFA Aufgaben für die bundesweite Prüfung für Gehörlose optimieren. Zu diesem Zeitpunkt war das Ifto noch eine Forschungsstelle an der Martin-Luther-Universität. Hier stieg auch der damalige Informatik-Student Peinhardt ein, um Datenbanken zu erstellen. 2011 wurde die Forschungsstelle von der Uni ausgegründet und von Peinhardt und seiner jetzigen Geschäftspartnerin Susanne Wagner weitergeführt. Auch wenn die Liste der Auftraggeber lang ist, fällt für die beiden laut Peinhardt der Verdienst gering aus. „Es ist ein Pro-Bono-Geschäft. Die Einnahmen reichen, um die drei Angestellten bezahlen zu können.“ Der Hallenser profitiert eher von seiner eigenen IT-Firma, ist sich aber sicher, dass beim Ifto noch Luft nach oben ist. Denn leichte und einfache Sprache sind im Kommen.

Seit März 2014 sind alle Behörden des Bundes gesetzlich verpflichtet, im Netz Informationen in leichter Sprache anzubieten. So ist auf der Seite des Bundestages zwischen den Schaltflächen „Gebärdensprache“ und „Englisch“ ein entsprechender Button zur Auswahl. Auch die UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind in einfacher Art durch das Bundessozialministerium optimiert worden. Derzeit diskutiert zudem der Rundfunkrat über mehr Transparenz und will in leichter Sprache über die Arbeit des Gremiums informieren. Auch die Zeitung „Das Parlament“ veröffentlicht Extra-Beilagen über Aktuelles und Hintergründe - in leichter Sprache. So ist dort zu lesen: „Syrien ist ein Land. Den Namen spricht man ungefähr: Sü-ri-en. In Syrien gibt es einen Bürger-Krieg.“ (mz)