Fertigstellung der A143 bei Halle Fertigstellung der A143 bei Halle: Eine unendliche Geschichte

Halle (Saale) - Hübsch sieht es aus, mit seinen lila Blütenblättern. Hübsch ist auch sein Name: Kleines Knabenkraut. Klingt irgendwie idyllisch. Doch den Autobahnplanern im Landesverkehrsministerium treibt das Gewächs aus der Familie der Orchideen die Sorgenfalten auf die Stirn.
„Orchis morio“, so sein wissenschaftlicher Name, ist in Deutschland streng geschützt und stark gefährdet. Vor allem in der Nordhälfte Deutschland werden die weißen Flecken immer größer. Zu den Gegenden, in denen das Kleine Knabenkraut wächst, zählt die Hallesche Porphyrkuppenlandschaft westlich von Halle. Auch andere seltene Arten tummeln sich dort, der Laufkäfer oder der Raubwürger. Das ist ein Vogel.
Autobahn durch ein Schutzgebiet
Ausgerechnet durch dieses Schutzgebiet und durch ein weiteres, die Muschelkalkhänge bei Lieskau im Saalekreis, will Sachsen-Anhalt eine Autobahn bauen: Die A143 soll, von der A38 kommend, rund zwölf Kilometer durch das untere Saaletal verlängert werden. Bis zur A14.
Mehr als zehn Jahre klafft diese Lücke nun schon. Eine Klage hat das Land bereits kassiert. 2007 war das, der Naturschutzbund Nabu setzte vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durch, dass die Planer nachsitzen müssen. Die Richter sahen die Schutzgebiete nicht ausreichend berücksichtigt.
Seitdem werden die Pläne nachgebessert, was das Zeug hält. Immer wieder neue Termine sind genannt worden, wann denn die Autobahn fertig sein könnte. Aber mit dem Bau ist immer noch nicht begonnen worden. Es ist auch die Geschichte einer unendlichen Geschichte.
EU fordert Prüfung zusätzlicher Trassenvariante
Und jetzt das: Die EU hat das Land aufgefordert, eine zusätzliche Trassenvariante zu prüfen, noch weiter westlich. Die Konsequenzen bekam Ende voriger Woche der Verkehrsausschuss des Landtages zu hören: Das Projekt wird sich noch weiter verzögern. Das Verkehrsministerium rechnet erst Mitte kommenden Jahres mit einem Abschluss des Verfahrens. Ab 2017 könnte dann gebaut werden, 2020 wäre die Strecke fertig. Falls nicht wieder jemand klagt.
Man könnte jetzt fragen: Da die zwölf Kilometer A143 nun schon so lange fehlen, geht es nicht vielleicht auch ohne?
Um eine Antwort zu finden, setzt man sich am besten ans Steuer. Oder stellt sich das zumindest vor. Wer auf der A 38 aus Richtung Göttingen kommt und nach Norden will, hat kurz vor Halle drei Möglichkeiten: Entweder biegt er im Mansfeldischen links ab und quält sich durch kleine Ortschaften, bei deren Bewohnern das Geschirr im Schrank klappert, wenn Brummis durch die Hauptstraßen donnern.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum auch der Naturschutzbund Nabu die Prüfung einer Alternativtrasse fordert.
Oder er verlässt die A143 an ihrem jetzigen Ende und fährt quer durch Halle zur A14, durch eine Stadt also, in der ohnehin ständig irgendwo gebaut wird und Stau programmiert ist. Ein Grund für die große Belastung, nicht zuletzt durch Lkw, ist der Fernverkehr von der A143.
Oder er bleibt auf der A38, lässt Halle und Merseburg in einem großen Bogen links liegen und erreicht am Kreuz Rippachtal die A9. Da ist man schon fast in Weißenfels, obwohl man doch nach Norden will.
Unnötige Umwege
Auch den Chemie-Transportern aus dem Raum Schkopau blieben auf dem Weg nach Norden diese Alternativen, sagt Reinhard Schröter: Halle oder A38/A9. Beide Routen bedeuteten „unnötige Umwege und unnötigen Spritverbrauch“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau. Und weil der Bau der zwölf fehlenden Kilometer von Jahr zu Jahr teurer werde, müsse mit den Arbeiten nun endlich mal begonnen werden.
Derzeit ist man bei 240 Millionen Euro angelangt, zunächst waren es 164 Millionen. Das liegt an der Inflation, die die Kosten treibt, um zwei Prozent im Jahr, aber auch an teuren Umweltschutzauflagen wie einer Brücke mit aufwendigem Lärmschutz und einer abgesenkten Trasse, um den Einschnitt in die Landschaft zu mindern.
Auch Nabu fordert Alternative
Offenbar reicht das der EU aber noch nicht aus. In der Auflage aus Brüssel, eine Alternativtrasse zu prüfen, sieht der Naturschutzbund Nabu sich bestätigt. „Das fordern wir schon lange“, sagt Landesgeschäftsführerin Annette Leipelt. Das Land sei dem bisher aber nur halbherzig nachgekommen.
Stimmt nicht, sagt das Verkehrsministerium. Nach dessen Darstellung ist mit der Prüfung einer Alternativvariante Ende 2012 begonnen worden, nach Aufforderung der EU. Erste Ergebnisse seien Anfang März in Brüssel vorgestellt worden. Während sich die EU-Planer dazu noch eine Meinung bilden müssen, steht für das Land aber schon fest: Die Alternative ist keine Alternative. Eine Trasse weiter westlich sei fast zehn Kilometer länger, verfüge mit 28 über doppelt so viele Brücken und werde deshalb noch einmal rund 175 Millionen Euro teurer.
Naturschützer verzögern Projekt nicht
Annette Leipelt wartet derweil auf den Vorwurf, der irgendwann immer kommt: Dass die Naturschützer das Projekt verzögern würden. „Davon kann keine Rede sein.“ Der Nabu sei nicht gegen die Autobahn, wohl aber gegen eine Trasse durch die Schutzgebiete.
Da sind sogar die Grünen radikaler. „Es ist völlig unklar, ob eine neue Planung den EU-Vorgaben standhalten wird“, sagt deren Verkehrsexperte im Landtag, Dietmar Weihrich. Angesichts dieser Unsicherheit sei es sinnvoller, das Projekt zu streichen und sich stattdessen auf Ortsumgehungen im Mansfelder Land zu konzentrieren. „Da bekommt man auch schneller Baurecht“, meint Weihrich trocken. (mz)
