Eurocamp in Güntersberge Eurocamp in Güntersberge: «Die lachen den ganzen Tag»
Güntersberge/MZ. - Auf den ersten Blick gleicht das Szenario dem von Unterricht. Acht Jugendliche sitzen an Rechnern. Sie tippen, was das Zeug hält. Uta Braeter führt an der Stirnseite des Raumes Regie. Schaut auf Kommafehler, falschen Satzbau. Konzentration ist gefragt, die Texte müssen fertig werden. Sie sollen der Welt per Internet einen Eindruck von dem vermitteln, was die Jugendlichen hierher gebracht hat: in das Eurocamp für Kids in Güntersberge.
Tagebuch im Internet
270 Kinder aus 20 Nationen verbringen dort noch bis zum 18. August ihre Ferientage. Lisa Maurer, Kari Küster, Sophia Röthing, Annekatrin Wein, Jessica Reinsch, Franziska Altmann, Annika Bunk und Björn Prehna erleben die neunte Auflage des vom Bund, dem Land Sachsen-Anhalt und der Lotto-Toto Gesellschaft Sachsen-Anhalt geförderten Feriencamps aus einer ganz besonderen Perspektive: Sie begleiten es mit Unterstützung des Friedrich-Bödecker-Kreises als junge Reporter. Halten Interviews, schreiben Porträts über Kinder aus aller Welt. Und führen online Tagebuch. Im Internet können so auch Daheimgebliebene sehen, was auf dem elf Hektar großen Gelände des Kinder- und Erholungszentrums im Harz passiert.
Lisa Maurer hat ihre Eindrücke von der Begegnung mit Manoele aus Rio de Janeiro zu Papier gebracht. Franziska Altmann aus Calbe verfasst gerade einen Text über Isaac Holies aus Südafrika. Eigentlich hatte sie das Interesse an Freundschaften mit Kindern aus Russland gelockt - "ich lerne viel Russisch". Die Plaudereien mit dem fremden Jungen, der über Apartheid erzählte und über seine Arbeit im Jugendparlament, fand sie nicht minder spannend. Ohnehin haben die jungen Leute einen Faible für die Gäste von der Kap-Provinz entwickelt. "Die sind total aufgeschlossen, singen und lachen den ganzen Tag", schwärmt Jessica Reinsch aus Neindorf. "Ich glaube, die Südafrikaner haben nie schlechte Laune."
Der ungezwungene Kontakt zu Kindern aus fremden Kulturen, Spiele, die Unterhaltungen - und sei es mit Hilfe von Händen und Füßen - haben fast alle Reporter schon zum zweiten Mal nach Güntersberge geführt. Seit 1999 wird der Schreibwerkstatt des Bödecker-Kreises diese Chance geboten, so Geschäftsführer Jürgen Jankofsky. Dass Schüler über Schüler schreiben, hält er "für wichtig und gut".
Neu in diesem Jahr: Es sind nicht nur Jugendliche aus Sachsen-Anhalt, die sich als Journalisten probieren. Kari Küster aus Stuttgart ist in doppelter Mission im Team: für Campgeschichten und für ein Projekt, das die Bödecker-Kreise Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg miteinander verbindet. Unter dem Motto "Was wissen Westdeutsche über Ostdeutsche?" werden in Stuttgart Texte entstehen. Küster soll die "Ossis" dafür kennen lernen. Ob sie anders sind? "Der Redefluss ja, das klingt hier nicht so schwäbisch", sagt sie lächelnd.
Gemeinsam mit den 270 jungen Leuten aus 20 Nationen feierte sie die Eröffnung des Camps, bei der auf dem "Platz der Nationen" Luftballons in den wolkenverhangenen Himmel geschickt wurden. So viele Länder waren noch nie vertreten, erzählt Christiane Brandenburg, Chefin des Erholungszentrums. "Mit keiner Silbe" hat sie vor neun Jahren an diesen Erfolg gedacht.
Ableger in Afrika
Damals war das Lager mit Kindern aus sieben Ländern wortwörtlich ein Eurocamp. Nun geht es längst darüber hinaus und steht unter dem Motto "Kinder Europas begrüßen die Kinder der Welt". Und es gibt seit Dezember 2004 einen Ableger, der auf eine Idee und die Hilfe aus Güntersberge zurückgeht: das afrikanische Jugendcamp. Dessen Zweitauflage findet im September statt - mit einer Delegation aus Quedlinburg. Beginn einer Vision, die auch Christiane Brandenburg verbreitet. Eines Tages soll es auf allen Kontinenten solche Camps geben. Erst einmal ist aber in Güntersberge Zeit zum Kennenlernen. Und für die Reporter zum Schreiben. Über den "Platz der Nationen", auf dem jede Delegation ihr Land vorstellt. Über Ausflüge in die Region, Besuche von Botschaftern. Vor allem aber über die spannende Begegnung mit Kindern, deren Heimat sie vielleicht eines Tages selbst besuchen.
Das Camp-Tagebuch steht unter www.eurocampkids.com