Erziehungsurlaub Erziehungsurlaub: Väter-Zeit für Kinder
Halle/MZ. - Wie der Hahn im Korb hat sich Andreas Dietzschold gefühlt zwischen all den Müttern, die mit ihren Säuglingen zum Treffen der Krabbelgruppe oder zum Babyschwimmen kamen. "Die Frauen haben sich schon gewundert, dass ein Vater Erziehungsurlaub nimmt", erzählt er. Und die Frage, wie es denn mit dem Windelwechseln so klappe, sei nicht ausgeblieben. "Aber die meisten fanden es gut. Und einige hätten sich wohl gewünscht, der eigene Mann wäre auch zu diesem Schritt bereit."
Andreas Dietzschold, Reha-Fachberater bei der Rentenversicherung Mitteldeutschland, war schon zwei Mal für einige Monate im Vaterurlaub. 1999 / 2000, als Tochter Felicitas geboren wurde, und 2003 / 2004, als Sohn Florentin zur Welt kam. Seine Frau ist beruflich sehr engagiert. Sie wollte nach der Geburt der Kinder relativ schnell zurück in den Job. Und so hat das Ehepaar entschieden, sich ein Jahr Elternzeit zu teilen. "Hinzu kam aber noch ein zweiter entscheidender Grund: Ich wollte eine Zeit lang ganz bewusst erleben, wie die Kinder aufwachsen, wie sie sich entwickeln", sagt er.
Letzteres war auch das Motiv von Rainer Leischner, ein Vaterjahr einzulegen, das übrigens eben erst zu Ende gegangen ist. "Wenn man abends aus dem Büro kommt, sieht man die Kinder doch nur noch, wenn sie gerade ins Bett gehen", sagt er. "Mir war es wichtig, mit ihnen zu leben, mehr von ihnen zu wissen." Er blieb mit dem jetzt vierjährigen Franz zu Hause. Und auch die elfjährige Tochter Kim profitierte davon.
Beide Männer erzählen voller Begeisterung von der Zeit, die sie mit den Kindern verbracht haben. Von Stunden auf dem Spielplatz oder beim Basteln. Von endlosen Diskussionen über Fernsehgewohnheiten, unerledigten Hausaufgaben und unordentlichen Zimmern. Aber auch von der Panik, die aufsteigt, wenn das Baby plötzlich hohes Fieber hat.
"Ich kann nur jedem Vater empfehlen, diese Erfahrungen zu machen", sagt Andreas Dietzschold. Doch nur wenige Väter nutzen die Chance. In Sachsen-Anhalt waren es im Jahr 2004 bei 17 350 Geburten lediglich 1,6 Prozent.
Ehefrau Peggy Dietzschold vermutet, dass in vielen Köpfen noch das traditionelle Familienbild vorherrscht: Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um Kinder und Haushalt. "Wir sind unter den Ehepaaren schon Exoten", sagt sie.
Rainer Leischner hat vor allem bei der älteren Generation Kopfschütteln geerntet. "Meine eigene Mutter fand die Entscheidung merkwürdig", sagt er. "Man wird von anderen argwöhnisch betrachtet. Viele fragen sich, kann der nichts anderes, ist er unzufrieden mit dem Job oder steht er gar unter dem Pantoffel?" Es fehle die Anerkennung. "Ich habe selber manchmal fast das Gefühl gehabt, mich dafür entschuldigen zu müssen, dass ich jetzt Hausmann bin."
Andreas Dietzschold weiß aus vielen Gesprächen mit Freunden und Bekannten, dass die Angst um den Arbeitsplatz einige davon abhält, sich für die Elternzeit zu entscheiden. "Vielen wurde von den Unternehmen bedeutet, wenn du das machst, kannst du gleich ganz zu Hause bleiben." Vielleicht, so mutmaßt er, sei das mitunter aber auch nur ein vorgeschobenes Argument.
Mit ihren Arbeitgebern hatten die beiden Männer jedenfalls absolut keine Schwierigkeiten. "Ich wurde sehr unterstützt", sagt Rainer Leischner. Und nach dem Jahr sei er auf genau denselben Arbeitsplatz zurückgekommen, den er verlassen hatte.
Ähnlich ging es Andreas Dietzschold. "Es ist für uns kein Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau in den Erziehungsurlaub geht", sagt Simone Keil, Mitarbeiterin in der Personalentwicklung der Rentenversicherung Mitteldeutschland. Die Region Sachsen-Anhalt des Unternehmens wurde erst in dieser Woche mit dem Prädikat "Familienfreundlicher Betrieb" ausgezeichnet.
Schwer wiegen die finanziellen Einbußen bei der Entscheidung, ob der Mann Erziehungsurlaub nimmt oder nicht. "Ein Einkommen fällt weg und es ist erschreckend, wie massiv der Einschnitt ist", sagt Andreas Dietzschold. "Kinder kosten nun mal Geld." Er findet es traurig, dass "das Finanzielle einen so negativen Einfluss hat". Das jetzt geplante Elterngeld entschärfe die Sache erheblich. "Nur", so sagt er, "für mich kommt es leider zu spät."
Keiner der beiden Männer möchte die Väterzeit missen, bei der sie ganz nebenbei noch erfahren haben, was so alles dranhängt an der Hausarbeit. "Das Arbeitsleben dauert noch 30 Jahre. Das Jahr mit den Kindern war dagegen einmalig", sagt Rainer Leischner. Und er fügt hinzu: "Es war eine besonders schöne Zeit."