Erdrutsch in Nebra Erdrutsch in Nebra: Mauersturz mit großem Knall

nebra - Der Schreck steckt Annette Göx noch in den Gliedern. Blass und zitternd vor Angst beschaut sie sich den Schaden. Die städtische Mauer in der Bahnhofstraße in Nebra mit dem befestigten Hang zu ihrem Grundstück Schlossberg 4 sowie ein Teil ihres gepflasterten Hofes sind heruntergestürzt. Die Nebraerin ist völlig verzweifelt.
Am Montag gegen zwölf Uhr hatte es einen ohrenbetäubenden Knall gegeben, schildert die 64-Jährige. Die Mauer stürzte ein, Abschnitte des Hanges und Teile des Hofes mit Gartenzaun und Laternen rutschten hinterher. Große Sandsteine rollten über die viel befahrene Bahnhofstraße. Dass kein Passant auf dem Fußweg war, in diesem Moment auch kein Auto vorbeifuhr, erscheint Frau Göx wie ein Wunder. „Ich habe den Donnerschlag gehört, bin gleich herausgerannt und habe die Bescherung gesehen“, so ein Urlauber, der zur Zeit ein Zimmer in der Pension von Frau Göx bewohnt.
Gutachten soll Ursache klären
Der Bürgermeister von Nebra, Gerhard Hildebrandt, war mit Gerhard Buckow vom geotechnischen Ingenieurbüro aus Freyburg noch am Montag vor Ort. Die Stadt wolle sich nicht aus der Verantwortung stehlen, aber zuerst müsse das Ergebnis eines Sachverständigen vorliegen, so das Stadtoberhaupt. Dafür sei die Versicherung zuständig, mit der sich Frau Göx in Verbindung setzen müsse. Dies sieht Buckow ebenso: „Erst ein geologisches Gutachten bringt Klarheit.“ Er räumte ein, dass die starken Regenfälle der letzten Wochen eine Ursache sein könne. Vom Ingenieurbüro wurde Frau Göx empfohlen, ihre Garage und das angrenzende Wohnhaus zu räumen und nicht zu benutzen. Bei weiterem Regen könne noch mehr Erdreich nachrutschen, so dass beide Gebäude gefährdet seien.
Die alleinstehende Frau steht verzweifelt in ihrem Hof. Sie fühlt sich völlig alleingelassen von Ämtern und Behörden. Dabei hatte sie das Unglück kommen sehen und gewarnt. Dem Einsturz war eine Odyssee vorausgegangen, auf der die Nebraerin sich verzweifelt um Hilfe bemüht hatte. Sie habe dieses Ende kommen sehen, aber nicht so schnell vermutet, sagte Annette Göx. Wie sie berichtete, hatten Nachbarn sie darauf aufmerksam gemacht, dass Steine der Mauer feucht sind und sich die obere Reihe zur Straße neigt. Nach dem heftigen Gewitterregen am 17. Mai habe sie dann im Hof sechs Risse von zwei Metern Länge festgestellt, die sich täglich verbreiterten. Daraufhin habe sie am 21. Mai ein Schreiben an den Bürgermeister im Rathaus abgegeben mit der Bitte, die Standfestigkeit und Stabilität der städtischen Mauer, die sich an ihrem Grundstück befindet, dringlichst überprüfen zu lassen, um eine drohende Gefahr für Menschen zu verhindern.
Steine in Bewegung
Sie selbst habe ein Bauplanungsbüro in Amsdorf um Rat gefragt, welches am Mittwoch, Freitag und Sonntag Messungen an der Mauer vorgenommen und festgestellt hatte, dass sich die Steine des Mauerwerks in diesen Tagen um 14 Millimeter nach vorn verschoben hatten. „Schon am Freitag habe ich das Grauen bekommen und den Bereitschaftsdienst der Verbandsgemeinde angerufen“, so Frau Göx weiter. Darauf hin habe sich Amtsleiterin Inge-Kathrein Wolfert und auch der Bürgermeister die Mauer angesehen.
Landrat und Polizei alarmiert
Am Sonntag habe sie noch mit einer Nebraer Baufirma gesprochen, deren Chef sich ebenfalls vom Zustand der Mauer überzeugte und ihr riet, den Hof leer zu räumen, da die Mauer einstürzen könnte. Auf Grund des Dauerregens und der Risse, deren Ränder am Montagmorgen gegen acht Uhr bereits fünf Zentimeter auseinander klafften, sei sie völlig in Panik geraten, habe mit dem Bürgermeister telefoniert, der ihr mitteilte, dass das Bauamt am Dienstag kommen wolle. Beim Anruf in der Verbandsgemeinde habe sie die gleiche Antwort erhalten. In ihrer Verzweiflung habe sie sich beim Landrat und der Polizei gemeldet, die zugesagt hatten, sich für Unterstützung einzusetzen. Mittag war es dann zu spät. Und leise fügte Annette Göx dazu: „Noch kann ich gar nicht alles fassen. Aber eins weiß ich, ich wurde im Stich gelassen mit meinen Ängsten und Sorgen.“
Ein wenig Freude kam auf, als zwei Freunde aus Wetter in Hessen, Partnerstadt des Nebraer Ortsteils Reinsdorf, kurz nach dem Unglück in Nebra eintrafen. Annette Göx hatte die Bekannten telefonisch informiert. Beide hatten sich sofort in ihr Auto gesetzt. Sie konnten zumindest die abgerutschten, Zaunfelder bergen. Nachbarn hatten die Straße von Steinen und Erdmassen geräumt, und auch Nachbar Axel Garthoff hatte Hilfe angeboten. „Dass hier von der Stadt keiner mit anfasst, können wir nicht begreifen“, äußerten die beiden Hessen.
