1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Erdbeben-Katastrophe in Nepal: Erdbeben-Katastrophe in Nepal: Helfer aus Sachsen-Anhalt

Erdbeben-Katastrophe in Nepal Erdbeben-Katastrophe in Nepal: Helfer aus Sachsen-Anhalt

Von Steffen Könau 19.06.2015, 19:14
Rustam Kapali (links) bringt den Bewohnern in einem Dorf Plastikfolie für provisorische Zelte.
Rustam Kapali (links) bringt den Bewohnern in einem Dorf Plastikfolie für provisorische Zelte. Privat Lizenz

Halle (Saale) - Das Schlimmste ist vorbei. Aber ein, zwei Nachbeben täglich gibt es immer noch, sieben Wochen nach dem Tag, der für 26 Millionen Nepalis alles veränderte. „Es sind keine schweren Beben“, erklärt Rustam Kapali, der in der Hauptstadt Kathmandu lebt, „nur vier bis fünf auf der Richterskala“. Zahlen, die aber eine neue Normalität beschreiben. Zum Vergleich: Als im April große Teile der Hauptstadt Kathmandu und viele Dörfer im Land zu Schuttbergen zusammenfielen, schlugen die Messgeräte bis auf fast acht aus.

Frank Fahrig und Martin Pelzl aus Halle haben das vor Ort selbst erlebt. Allerdings anfangs, ohne es zu bemerken. „Wir fuhren im Kleinbus Richtung Pokhara im Nordwesten, wo wir unsere Trekkingtour starten wollten“, erzählt Frank Fahrig. Erst bei einer Rast in einem kleinen Städtchen hätten Anwohner ihnen erzählt, welchen vernichtenden Schlag das Land erhalten habe. Auf Anraten der einheimischen Führer entschlossen sich die beiden Hallenser, ihre Wanderung trotzdem anzutreten. „Die Sherpas meinten, unterwegs sei es sicherer als in den Städten.“

Ausmaß der Katastrophe

Das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde dem gelernten Kindergärtner und seinem Begleiter nach der Rückkehr in die Hauptstadt zwei Wochen später klar. „Drei bis fünf Prozent der Häuser zerstört, die Stadt menschenleer, die Infrastruktur zusammengebrochen.“ Fahrig ist da schon klar: „Wir haben sehr viel Glück gehabt, dass wir zwar Steinschläge und Schneelawinen durch Nachbeben erlebt haben, aber nicht direkt betroffen waren.“ An einer Stelle, an der Fahrig und Pelzl vorbeigewandert sind, geht Tage später ein verheerender Erdrutsch nieder. „Hinter dem wären wir gefangen gewesen.“

Schwerer Weg zurück in den Alltag

Es ist ein schwerer Weg zurück in den Alltag, den Betroffene wie Mingmar Sherpa aus dem kleinen Ort Lumsa gehen. In dem Dorf 200 Kilometer östlich von Kathmandu in einem schwer zugänglichen Gebiet zwischen 3 .00 bis 4.000 Meter hohen Bergen hat der hallesche Verein Lumsa vor mehr als zehn Jahren begonnen, Bau und Betrieb einer Schule zu unterstützen. Vor dem großen Beben lernten dort 80 Kinder, Lehrer, Schulmaterialien und Computer wurden durch Spenden aus Halle bezahlt.

Eine Erfolgsgeschichte, die abrupt endete, als sich am 25. April kurz vor Mittag in 18 Kilometern Tiefe der Druck zwischen zwei aufeinander drückenden tektonischen Platten explosionsartig entlud. „Die Schule wurde schwer beschädigt, viele Häuser hier auch“, berichtete Mingmar Sherpa den Freunden in Halle, als es nach Tagen wieder Strom gab. Unterricht ist nicht mehr möglich, die Menschen leben in Zelten. „Wir waren bestürzt, als wir das hörten“, sagt Fanny Wetzig von Lumsa, „aber wir sind überzeugt, dass die letzten, erfolgreichen Jahre nicht umsonst waren.“ Was beschädigt sei, könne wieder aufgebaut werden, jetzt sei Hilfe nötig.

Kult-Rennen um die Ostsee

Das glauben auch Martin Klima aus Halle und sein Co-Pilot Maciej Chinalski, die als Team „Aurora Hunters“ gerade das Kult-Rennen Baltic Sea Circle Rally rund um die Ostsee fahren. Ein Unternehmen, das ohnehin nicht nur Sport und Spaß sein will, sondern die Idee einer Oldtimer-Ralley Jahr für Jahr mit einer Spendensammlung für karitative Zwecke verbindet. Klima, der Gesundheitsmanagement in Berlin studiert, und Chinalski, Gründer eines Internet-Start-Ups in Polen, war das nicht genug. „Wir wollten selber noch etwas drauflegen“, erzählt Klima. Über die Internetseite betterplace.org sammeln die Saab-Piloten nun parallel zur Ralley Geld für den Verein LiScha, mit dem Daniela Jährig und Steffen Schöley Kinder und Jugendliche in Nepal unterstützen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, mit welchen weiteren Aktionen in Sachsen-Anhalt Geld für die Erdbeben-Opfer gesammelt wird und wie sie helfen können.

Hilfe, die das Leben des weitgereisten Paares aus Guben (Brandenburg) verändert hat. Die Physiotherapeutin und der Diplomingenieur waren schon oft durch Asien gereist, als sie sich vor sechs Jahren entschlossen, in Nepal zu leben, um den Menschen des benachteiligten Chepang-Stammes zu helfen. „Dieses Reisen mit Zelt hat uns tiefe Einblicke in das Leben der Menschen ermöglicht und eine Bindung entstehen lassen“, sagt Daniela Jährig, „für das einzustehen, was uns wichtig ist, das ist unser Beitrag, die Welt ein bisschen lichtvoller zu machen.“

Katastrophe fordert mehr als 8.000 Todesopfer

Und Licht braucht gerade Nepal in diesen Tagen, in denen die Welt schon wieder beginnt, die große Katastrophe mit mehr als 8.000 Todesopfern und 250.000 zerstörten Häusern zu vergessen. Rustam Kapali, der sonst deutsche Trekker und Wanderer als Reiseführer in die Everest-Region begleitet, versteht das einerseits. Andererseits sieht er täglich, wie ernst die Situation in Kathmandu ist - und wie noch ernster draußen im Land. Die Menschen wohnen in Zelten, viele Häuser werden nie wieder bewohnbar sein. Planen und Wellblech sind teuer geworden, die Regenzeit steht vor der Tür und die Regierung hat wegen befürchteter Mängel bei der Standsicherheit verboten, vor ihrem Ende mit dem Bau neuer Häuser zu beginnen. Was gebraucht wird, sind Übergangslösungen. „Wir warten auf eine Wellblechlieferung, die wir dann in drei Dörfern verteilen wollen, die es schlimm getroffen hat“, beschreibt Kapali, dessen Familie beim Beben mit dem Schrecken davonkam.

Der Stunden- und Halbstundenlauf zugunsten des Lumsa-Schulprojektes in Nepal findet am Dienstag, 23. Juni, ab 19 Uhr auf dem Sportplatz des PSV am Galgenberg in Halle statt.

Läufer und Walker können vor dem Lauf pro Kilometer, den sie laufen wollen, einen Euro spenden. Im sächsischen Augustusburg findet derweil am 12. September ein Benefizkonzert von Bürgermeister Dirk Neubauer statt.

In Nuwakot, Dolakha und Ramechaap haben er und seine Freunde 25 Familien vorgemerkt, die mit Baumaterial versorgt werden sollen. „Das sind Orte, dahin ist bis heute keine Hilfe hingekommen, alle leben im Freien und solche Dörfer gibt es viele.“

Rund 4.000 Euro wollen Martin Klima und Maciej Chinalski für LiScha sammeln, knapp die Hälfte ist schon beisammen. Auch Drehorgel-Rolf Becker will Erdbebenopfern helfen - mit einem Wasseraufbereiter, einer Chirurgentasche und mehreren Hebammenkoffern im Gepäck ist das hallesche Original unterwegs in die Bergregionen am Himalaya. Über Indien geht es nach Kathmandu, wo der 68-Jährige mit dem Hilfswerk Medeor Spenden verteilen und praktisch zupacken will. „Wo Leute leiden, will ich nicht Spaß machen, sondern helfen“, sagt der Aktionskünstler. Mit der Wasseraufbereitungslage können 300 Menschen am Tag versorgt werden. „Und wo die Krankenhäuser voller Erdbebenopfer sind, ist ein Hebammenkoffer für Babys lebensrettend.“

Bürgermeister auf der Bühne

Gebraucht wird alles, das weiß auch Dirk Neubauer, der aus Halle stammende Bürgermeister des Erzgebirgsstädtchens Augustusburg. Einmal im Jahr tritt der früher in der Rockszene als „Zono“ bekannte Sänger der U2-Coverband One immer noch auf, inzwischen für wohltätige Zwecke. „Zwei Frauen hier aus unserer Stadt helfen seit Jahren einem Waisenbaus in Nepal“, sagt Neubauer, „da lag es nach dem verheerenden Beben natürlich nahe, das nächste Bürgermeister-Benefizkonzert im September auch zu nutzen, um dafür Geld zusammenzubekommen.“

Jeder Cent hilft. Martin Pelzl und Frank Fahrig haben sofort nach ihrer Rückkehr begonnen, im Freundeskreis zu sammeln. „Das Haus unseres Kochs Mine Ghalee ist völlig kaputt“, erzählt Fahrig, „auch eine zweite Familie, die wir nach einem Schicksalsschlag schon länger unterstützen, soll wieder Hilfe bekommen.“ Beim Lumsa-Verein, der nächste Woche wieder seinen Stundenlauf zum Spendensammeln für Nepal nutzt, wollen Fahrig und Pelzl aktuelle Bilder und Filme aus Nepal zeigen, um noch mehr Menschen klar zu machen, dass das Beben zwar aus den Schlagzeilen verschwunden, seine Folgen aber längst nicht überwunden sind. „Wir waren ja zeitweise die einzigen Ausländer da.“ (mz)

An vielen Orten des Landes gibt es Zerstörungen.
An vielen Orten des Landes gibt es Zerstörungen.
Frank Fahrig Lizenz