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Ende der Sargpflicht naht Ende der Sargpflicht naht: Sachsen-Anhalts Koalition will kulturelle Öffnung der Friedhöfe

Von Jan Schumann 18.12.2019, 01:00
Träger stehen auf einem Friedhof neben einem Sarg. Sachsen-Anhalts Regierung will die Öffnung per Bestattungsgesetz für Traditionen, die im Islam und Judentum verbreitet sind.
Träger stehen auf einem Friedhof neben einem Sarg. Sachsen-Anhalts Regierung will die Öffnung per Bestattungsgesetz für Traditionen, die im Islam und Judentum verbreitet sind. imago stock&people

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen will die Regeln für Bestattungen stärker lockern als je zuvor. Auf Friedhöfen im Land sollen künftig Beerdigungen nach muslimischer und jüdischer Tradition im Leichentuch erlaubt sein, zugleich könnte es erstmals Ehrengräber für gefallene Bundeswehrsoldaten und Polizisten geben. Zudem will die Koalition einen Weg finden, Grabsteine aus Kinderarbeit von Friedhöfen zu verbannen. Nach Jahren der Diskussion soll ab Anfang 2020 ein Gesetzestext entstehen.

Ein Kern ist die Öffnung des Bestattungsgesetzes für Traditionen, die im Islam und Judentum verbreitet sind: die Beisetzung im Leichentuch. Bisher widerspricht dies der Sargpflicht. Während der Landtag seit Jahren darüber streitet, haben Bundesländer wie Bremen und Nordrhein-Westfalen bereits die Gesetzeslage gelockert.

In Sachsen-Anhalts Koalition wollen vor allem die Grünen diese kulturelle Öffnung. Für die CDU ist sie nicht gerade ein Lieblingsprojekt, Sozialpolitiker Tobias Krull sagte der MZ aber: „Wir haben natürlich zunehmend Fälle, in denen Menschen islamischen Glaubens im Land beerdigt werden.“ Deshalb werde sich die CDU der Debatte „nicht verschließen, am Ende wird sicherlich eine Lockerung der Sargpflicht stehen“. Die Beerdigung im Leichentuch erfolgt in der Regel innerhalb von 24 Stunden.

Neu wären auch die Ehrengräber für Soldaten und Polizisten. Für jene, die im Dienst gefallen sind, soll es künftig ein dauerhaftes Ruherecht auf Friedhöfen geben, wie es für Gefallene aus den beiden Weltkriegen gilt. In der Praxis müssen diese Gräber nicht nach 20 oder 25 Jahren eingeebnet werden. „Wir haben derzeit die verrückte Situation, dass für Kriegstote des Zweiten Weltkriegs - auch für SS-Angehörige - dauerhaftes Ruherecht gilt. Für gefallene Bundeswehrangehörige aber nicht“, sagte Rüdiger Erben (SPD).

In Sachsen-Anhalt lägen derzeit die sterblichen Überreste dreier Bundeswehrsoldaten, die in Auslandseinsätzen ums Leben kamen. Es sei Angehörigen nicht zu vermitteln, warum sie diese Gräber nach ein paar Jahren beräumen müssten, während ein Wehrmachtssoldat dauerndes Ruherecht habe. Die CDU sieht es genauso, will die Ewigkeitsregel auf Polizisten erweitern, die im Dienst gestorben sind. Die zusätzlichen Kosten sollen das Land oder der Bund tragen, so Krull.

Liberaler wird das Gesetz mit Blick auf Bestattungsformen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wichtiger geworden sind: Erstmals soll es eine landesweit klärende Regelung für Friedwald-Bestattung geben. Bei dieser Art der Beerdigung in ausgewiesenen Waldstücken werden biologisch abbaubare Urnen an der Wurzel eines Baumes eingegraben. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde diese Bestattungsart zunehmend populär - in Sachsen-Anhalt wird sie schon vereinzelt angeboten, etwa in Dessau-Wörlitz und Sangerhausen. Streng genommen geschehe dies bisher allerdings in einer Grauzone, sagen Koalitionspolitiker.

Rechtssicherheit will die Koalition auch für die Beisetzung sogenannter Sternenkinder schaffen - Kinder, die weniger als 500 Gramm wiegen und vor, während oder nach der Geburt starben. Für sie gilt derzeit keine Bestattungspflicht. Die Koalition ist sich aber einig, dass betroffene Eltern einen Platz zum Trauern bekommen sollen. Punktuell gibt es bereits Grabfelder für Sternenkinder.

Zudem will die Koalition verhindern, dass in Zukunft Grabsteine aus Kinderarbeit, etwa aus Indien und China, verwendet werden. Neue Zertifikate, vergeben durch staatlich anerkannte Stellen, sollen das absichern. (mz)