E-Learning Award für Sachsen-Anhalter E-Learning Award für Sachsen-Anhalter: App hilft bei Mathe-Aufgaben

Dessau-Rosslau - Wie groß ist der Winkel zwischen Stunden- und Minutenzeiger einer Uhr, wenn es 15.15 Uhr ist? Robert Koschig erinnert sich, dass eine Freundin sogar ihre Uhr von der Wand nahm, aber auch durch Ausprobieren nicht zu dem richtigen Ergebnis kam. Kein Wunder, dahinter steckt Mathematik. Schulwissen reicht eigentlich aus, um die Aufgabe zu lösen. Doch Robert Koschig hat die Erfahrung gemacht, dass viele nach dem Abitur Mathematik verdrängen. Umso überraschter sind sie, wenn Mathe im Studium wieder notwendig wird - und das längst nicht nur in naturwissenschaftlichen Studiengängen. Der Winkel der Zeiger beträgt im übrigen 7,5 Grad. Um darauf zu kommen, benötigt man halt einige Kenntnisse in Geometrie.
Zusammen mit Stephan Claus hat Wirtschaftsmathematiker Koschig die App „Massmatics-Mathe für Studenten und Abitur“ programmiert. In dem Übungsbuch haben die beiden Sachsen-Anhalter zusammengetragen, was in etlichen Fachbüchern steht. Mehr als 2 500 Übungsaufgaben passen nun in die Hosentasche. Das entspricht rund 16 000 Seiten, die sich auf einem Schreibtisch türmen.
Grundlagen und Basiswissen
Grundlagen und Basiswissen der Mathematik können so überall gefestigt werden. Dabei liefert die App Denkanstöße, vermittelt Tipps und beinhaltet zahlreiche Grafiken, die komplexe Sachverhalte vereinfachen. Mit dem jungen Gründerteam kooperieren deutschlandweit mittlerweile fünf Bildungseinrichtungen. Und die Zusammenarbeit mit der Hochschule Offenburg (Baden-Württemberg) ist dabei im Februar 2014 auf der Learntec-Messe sogar mit dem European E-Learning Award ausgezeichnet worden.
Wer Hilfe in Mathematik benötigt, findet online eine üppige Auswahl. Der App-Store liefert bei der Suche nach „Mathe“ 2 183 Ergebnisse. An zweiter Stelle wird dabei bereits die App aus Sachsen-Anhalt vorgeschlagen, die kostenlos 100 Beispielaufgaben zur Verfügung stellt. Für etwa zwei Cent pro Aufgabe können weitere Aufgabenpakete ausgewählt werden. Das Besondere an der App: Massmatics regt zum Denken an und liefert Lösungen nicht auf dem Silbertablett, wie andere Angebote, erklärt Claus eine Besonderheit.
Wieder Bruchrechnen
Angefangen hat alles vor acht Jahren an der Universität Leipzig, als sich die Massmatics-Gründer im ersten Semester kennenlernten. Robert Koschig kam 2006 aus Dessau-Roßlau in die Messestadt, Stephan Claus aus Wolmirstedt in der Börde. Beide wollten Wirtschaftsmathematiker werden. Nebenbei jobbten sie an der Uni als Tutoren und gaben Nachhilfe.
Etwa 60 Prozent aller Studienanfänger müssen sich laut Bundesamt für Statistik in den ersten Semestern wieder mit Mathematik beschäftigen. „Die Studenten sind überrascht über den hohen Mathe-Anteil in ihren Studiengängen“, berichtet Claus. Er vermutet, dass in fast jedem Studiengang etwas von dem Fach steckt. Geografen, Soziologen, Psychologen und Betriebswirtschaftlern - auch sie alle müssen wieder lernen, mit Zahlen zu hantieren. Sie haben zum Teil Statistik-Vorlesungen oder Logik-Seminare. Bevor im Tutorium der aktuelle Stoff besprochen werden kann, müssen die Grundlagen wiederholt werden - das fängt beim Umstellen von Gleichungen an.
Im Sommer 2010 hatten Koschig und Claus daher die Idee, ein Ergänzungsangebot zu schaffen, das den Übergang von der Schule zur Hochschule erleichtert. Aus der Idee entstand das Startup-Unternehmen Massmatics, das sie im Januar 2012 gründeten. Obwohl Sachsen-Anhalt verschiedene Förderprogramme für junge Gründer bereit hält, verzichteten Claus und Koschig aber auf diese Angebote. Denn um die entsprechende finanzielle Hilfe zu bekommen, hätten sie mit der eigentlichen Gründung ihres Unternehmens erst nach Abschluss ihres Studiums beginnen können - und so lange wollten sie nicht warten.
„Wir brauchten eine feste Adresse“
Dennoch entschieden sie sich für Sachsen-Anhalt und holten einen weiteren Weggefährten ins Boot. Für die technische Umsetzung der App brauchten sie Christopher Heymann aus Dessau-Roßlau. Als Informatiker sorgt er dafür, dass die App auf allen Geräten problemlos läuft. In einem nächsten Schritt wurde Wolmirstedt als Firmensitz gewählt. „Wir brauchten eine feste Adresse“, erklärt Koschig, obwohl man hauptsächlich online miteinander vernetzt sei.
„Wir hatten zwar kein Geld, aber jede Menge Zeit, die wir investieren wollten“, sagt Koschig zur Entwicklung von Massmatics. Teilweise verbrachten sie in der Woche mehr als 60 Stunden am Schreibtisch - und nebenbei studierten sie. Full-Time-Job im WG-Zimmer statt Party. Dazu gehörte auch, die App immer wieder auf verschiedenen Geräten zu testen. „Ein tolles Gefühl, wenn alles funktioniert“, erinnert sich Koschig.
In der Förderperiode von 2004 bis 2010 registrierte das Landeswirtschaftsministerium 884 Ausgründungen aus Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Für die Periode 2011 bis 2014 liegen noch keine exakten Zahlen vor. Es werde allerdings erwartet, das es ähnlich viele sind, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Studienanfänger, die mathematisches Basiswissen benötigen, können sich mit der App „Massmatics-Mathe für Studenten und Abitur“ auf den Start vorbereiten. Aufgaben mit Lösungen aus den Bereichen Analysis, Lineare Algebra, Statistik und Stochastik sind anschaulich aufgearbeitet und in einfacher Sprache erklärt.
Jede Aufgaben ist in drei Schwierigkeitsstufen gestaffelt, so dass unterschiedliche Vorkenntnisse berücksichtigt werden. Zum Reinschnuppern stehen 100 Aufgaben kostenlos zur Verfügung. Die App bietet zudem einen Klausurentrainer und einen speziellen Vorbereitungskurs.
Mehr Informationen sowie eine Anleitung zum Herunterladen gibt es im Internet: www.massmatics.de
Und inzwischen wird die Mathe-App gut angenommen. Mehr als 92 000 Mal wurde sie bisher heruntergeladen, 7 500 In-App-Käufe wurden bis dato getätigt. Im vergangenen Jahr kam die übersetzte Version „college mathe tutor“ auf den US-Markt. Mehr als 10 000 Amerikaner haben bisher den Download-Button gedrückt.
Doch auch jetzt, wo das Gründerteam das Diplom in der Tasche hat, geht es weiter. Koschig arbeitet zwar als Unternehmensberater in Berlin und Claus als Risk-Controller in Leipzig. In jeder freien Minute wenden sich die Gründer jedoch ihrem Projekt zu und bauen es aus. „Mit Hochschulen zusammenarbeiten, heißt Zeit mitbringen, denn solche Kooperationen sind oft langwierige Prozesse“, sagt Claus.
Neue Ideen
Die Gewinne aus der App reichen für das Massmatics-Team aber nicht zum Leben. Noch nicht jedenfalls. Denn an weiteren Ideen mangelt es den jungen Gründern nicht: Zurzeit wird mit „Teachmatics“ ein Tool für Dozenten erarbeitet sowie ein weiterer Klausurentrainer „Testmatics“. (mz)