Dresden Dresden: Die Russen kommen!
Dresden/MZ. - Viermal anderthalb Stunden hat sie im Dezember noch gepaukt. Hat Begrüßungsfloskeln geübt, sich die Farben in Erinnerung geholt. Drei Jahre Russisch-Unterricht am Sprachengymnasium sind schon eine Weile her. Und wenn sie ehrlich ist, "dann war Russisch meine absolute Schwäche", sagt Friederike Schwarz. Die junge Frau ist Verkäuferin im Dresdner Einkaufszentrum Altmarkt-Galerie und kann Russisch derzeit gut gebrauchen. Denn die sächsische Landeshauptstadt hat einen neuen Markt für sich entdeckt: finanzstarke russische Touristen auf Shopping-Tour in Deutschland. In dieser Woche veranstaltet das Zentrum russische Festtage. 100 Verkäuferinnen aus den rund 200 Geschäften des Zentrums haben dafür extra Unterricht genommen, um die Gäste mit den gut gefüllten Geldbeuteln in deren Heimatsprache zu umgarnen.
Shoppen vor dem Jolka-Fest
Die Idee für die Festtage entstand laut Center-Manager Thorsten Kemp, als eine Parfümerie Anfang 2011 berichtete, dass sie in der ersten Januarwoche mehr Umsatz gemacht hat als zwischen den Feiertagen, wo üblicherweise die Weihnachtsgutscheine für gute Geschäfte sorgen. Grund für die klingelnde Kasse: eben jene russische Touristen. Die nutzen vor allem die Zeit zwischen Jahreswechsel und dem Jolka-Fest am 7. Januar zum Verreisen. "Man merkt, dass ein Markt da ist. Dann muss man sich damit beschäftigen", sagt Kemp.
Zwei Muttersprachlerinnen, Ekaterina Graf und Valeriya Radchenko, sorgen bereits am Flughafen dafür, dass die Gäste sich willkommen fühlen. In blauen, paillettenbesetzten Kleidern, weißem Felljäckchen und mit Fellmütze begrüßen sie auf Russisch diejenigen, die um die Mittagszeit aus der ersten Maschine aus Moskau-Wnukowo steigen, überreichen Flyer der Altmarkt-Galerie. Woran sie den typischen Einkaufstouristen erkennen? Radchenko greift tief in die Klischee-Kiste, wenn es um das weibliche Geschlecht geht: "modisch gekleidet, hohe Absätze, Schmuck und auffallend roter Lippenstift", sagt sie mit einem Lächeln. Die ansprechendere Bedienung locke sicher einige zum Einkaufen hierher, glauben die ursprünglich aus Kiew beziehungsweise aus Sibirien stammenden Hostessen. Und irgendwie hat es wohl auch etwas, sagen zu können, man sei in Deutschland shoppen gewesen. 26 Maschinen aus Russland landen zwischen dem 28. Dezember und dem 7. Januar in Dresden - normal sind drei Linienflüge pro Woche. Rund 70 Prozent der Touristen würden zum Einkaufen kommen, schätzen die beiden Hostessen. Selbst wenn sie zum Teil auf der Durchreise nach Prag sind: Dresden wird spätestens auf dem Rückweg Station sein. Wie für Tatjana und Jewgeni Wassiljewa, die am Nachmittag durch die Altmarkt-Galerie schlendern. "Wir waren auf Städtereise", erzählen die Moskauer. Minsk, Warschau, Prag - und nun Dresden. Die Altstadt hat ihnen gefallen, zum Abschluss geht es nun zum Shoppen.
Das Geld sitzt locker
Die Einzelhändler in der sächsischen Landeshauptstadt freut’s. 222 Euro, hat Finanzdienstleister Global Blue errechnet, lässt der russische Tourist in Dresden durchschnittlich pro Einkauf. Allein von Januar bis November 2011 haben Gäste aus Moskau und Co. rund 32 Millionen Euro im Einzelhandel der Stadt ausgegeben - ein Plus von 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch lockerer sitzt das Geld nur beim chinesischen Kunden - der aber ist in Dresden zahlenmäßig weniger vertreten.
Auch die Stadt hat den Trend längst erkannt. Die offizielle Tourismus-Webseite gibt es seit Anfang 2011 in Russisch, die Zahl der Übernachtungen ist in den vergangenen Jahren sprunghaft um je zweistellige Prozentwerte gestiegen - russische Touristen gehören zudem zur Spitzengruppe bei der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer. 2010 wurde mit mehr als 35 000 Übernachtungen ein Plus von 22,2 Prozent verbucht. 2011 waren es bis November noch einmal mehr als zehn Prozent, sagt Altmarkt-Galerie-Manager Kemp. Russland ist nun auf Platz acht der Top-Auslandsmärkte für Dresden.
Kein Wunder, dass sich der Handel um den Osten bemüht. In der Altmarkt-Galerie stellen Russen hinter Tschechen die zweitstärkste ausländische Kundengruppe. Die hat gerade nicht nur einen eigenen Infostand, sie wird auch von Väterchen Frost und seiner Enkelin Snegurotschka begrüßt. Und was kauft man so? "Feminine Mode, gern mit Bling-Bling, und Designerschmuck vor allem", sagt Kemp. Das Modelabel Boss kommt an - für die Russen sei das Luxussegment wie für Deutsche Gucci. Ein Paar mit besonders großer Brieftasche fragt nach Dolce & Gabbana - umsonst, auch wenn Kemp nicht müde wird zu erzählen, welche Marken es sachsenweit einzig hier gibt.
Verkäuferin Friederike Schwarz hangelt sich derweil mit ihrem Russisch durch. Das klappt ganz gut, sagt sie - und wenn es eng wird, dann hält sie sich eben doch mal an die Kinder der finanzstarken Touristen-Kundschaft. "Die können meist auch Englisch."