Dresden Dresden: Die Brücke trennt eine Stadt
Dresden/MZ. - Susanne Knaack muss erst in den Kalender schauen. Sie blättert, sie überlegt, dann verlegt sie einen Termin, um im Gegenzug einen anderen zu vereinbaren. "Ach, irgendwie kriegen wir das schon hin, es hilft ja nichts", sagt die 44-jährige Diplomkauffrau ins Telefon, während sie gleichzeitig den Küchentisch in ihrer Altbauwohnung leer räumt.
Arbeitstage wie diese sind lang, und sie kosten Kraft. Erst den Sohn für die Schule fertig machen, dann an den Computer, um die Post zu beantworten, schließlich ein paar Interviews geben. Und wenn die Zeit reicht, will die Frau von der Bürgerinitiative "Welterbe erhalten" noch bei der Mahnwache vorbei - denn es geht ja um die Brücke. Um einen Bau, über den 50 000 Dresdner mit ihrer Unterschrift eine neue Abstimmung fordern.
160-Millionen-Projekt
Tatsächlich ist der Bau der Waldschlösschen-Brücke über die Elbe ein Thema, das längst nicht nur die Sächsin so richtig in Rage bringt. Seit einem Dutzend Jahren nun streitet man in Sachsens Landeshauptstadt immer heftiger darüber, ob eine gut 600 Meter lange Brücke quer durch das Elbtal gebaut und mit ihr auch das "Blaue Wunder" als Brücke entlasten werden soll. Beharrt man auf dem etwa 160 Millionen Euro teuren Projekt, hat die Unesco angekündigt, das Elbtal Anfang Juli von der Welterbe-Liste zu streichen. "Nicht auszudenken", sagt Susanne Knaack. "Den Blick durch dieses Tal hat schon Schiller bejubelt." Ihr freilich wichtigstes Argument: Es gebe Berechnungen, wonach die Brücke auch problemlos durch einen Tunnel ersetzt werden könnte. Aber über diese Alternative sei niemals ein Bürgervotum herbeigeführt worden.
"Da sieht man mal die Unbedarftheit." Hans-Joachim Brauns, von Hause aus Richter am Dresdner Landgericht, kann seinen Ärger kaum verbergen. "Es gab ja ein Votum", sagt der Mann von der anderer Bürgerinitiative, die "Pro Waldschlösschen-Brücke" heißt. Immerhin, so der Jurist, hätten 2005 knapp 68 Prozent der Beteiligten für die Brücke votiert. "Eindeutiger geht es kaum." Und dass die Tunnelvariante nicht zur Wahl stand? Brauns kann sich nur wundern. "Ein Blick ins Gesetz sagt, dass Abstimmungen mit Ja oder Nein zu beantworten sind." Eine Vorgabe von Varianten - Brücke oder Tunnel - würde damit ausscheiden.
Vor allem aber führt Brauns ins Feld, dass für die Tunnelvariante keinerlei fertige Planung vorliege. Die Kosten würden um ein Vielfaches höher als bislang geschätzt ausfallen, ob der Bund sich an den Mehrausgaben beteilige, sei völlig offen. So ist es für den Dresdner folgerichtig, dass das örtliche Regierungspräsidium ein neues Bürgerbegehren gerade für unzulässig erklärt hat. "Nach zwölf Jahren Diskussion müssen wir mal zum Ende kommen", sagt er resolut und gibt sich sicher, dass der Welterbetitel auch Bestand hat, wenn der inzwischen begonnene Brückenbau abgeschlossen ist.
Jörg Urban ist da sichtlich skeptisch. Der Landesgeschäftsführer der sächsischen Grünen Liga sitzt in seinem Büro im Dresdner Stadtzentrum und sichtet noch einmal die Akten. Hinter ihm sind Ordner gestapelt, die Urban in diesen Tagen aufmerksam durchgeht.
Klage vor Gericht
An diesem Donnerstag soll es soweit sein: Vor dem Dresdner Verwaltungsgericht wird vier Jahre nach Einreichung einer Klage verhandelt, was drei Umweltverbände an Kritikpunkten zusammengetragen haben. Hier geht es freilich nicht um den Unesco-Status, sondern um Umweltbelange - denn nur dafür sind die Verbände klageberechtigt. Vor allem sind es die Werte für Lärm und Verkehrsaufkommen, die Urban als "dauerhaft über den EU-Normen liegend" bezeichnet. Die Ausweisung von Umweltschutzflächen sei falsch, der Artenschutz gefährdet.
Gründe genug also für ihn, vor Gericht zu ziehen. "Das ist ein Verfahren, das bis zum Bundesverwaltungsgericht tragen kann", so Urban. Und auf das setzt er Hoffnung, haben doch die Bundesrichter kürzlich bei ihrer Entscheidung über den Bau eines Stücks Autobahn westlich von Halle zugunsten der Kläger entschieden. Das aber würde dauern.
Wie auch immer das Verfahren vor dem Dresdner Verwaltungsgericht verläuft: Susanne Knaack jedenfalls erwartet einen "heißen Sommer". In ihrem Mehrfamilienhaus kündet eine Tafel von den nächsten Aktion. Kulturbeiträge sind willkommen. Künstler werden mit einem Stück Eierschecke belohnt.