Diabetes Diabetes: Krankenkasse verweigert Unterstützung für Warnhund
TOllwitz/MZ. - Wie ein Geist schleicht die zehnjährige Marie durch das Haus ihrer Großeltern in Tollwitz bei Bad Dürrenberg (Saalekreis). Lautlos, fast unsichtbar, bewegt sie sich über den Flur. Mit müden Augen schaut sie kurz nach der Mutter in der Küche und verschwindet wieder vor den Fernseher im Wohnzimmer. "Es ist mittlerweile so schlimm geworden", sagt die Mutter. Ratlos sitzt Christine Schwertner am Esstisch. Früher sei ihr Kind anders gewesen, fröhlich, habe sich über Kleinigkeiten wie einen Rummelbesuch riesig gefreut. "Ihr Lachen hat sie längst verloren", sagt sie leise und lässt ihre Hände in den Schoss fallen.
Krankenkasse erstattet nicht alles
Marie leidet an einer schweren Diabetes-Erkrankung. Außer der ständigen Sorge um ihre Tochter belasten auch die Kosten für die Behandlung der Krankheit und ihrer Folgeerscheinungen die Familie. Denn die Krankenkasse erstattet diese nur teilweise - und will einen eigens für Diabetiker ausgebildeten besonderen Wachhund nicht bezahlen.
Vor etwa drei Jahren zeigten sich bei Marie die ersten Symptome der Diabetes. Sieben Kilo verlor das ohnehin schon zierliche Mädchen, ständig brauchte sie etwas zu trinken, nachts begann sie wieder einzunässen. Die Eltern dachten zunächst an eine psychische Reaktion des Mädchens, weil die Mutter wieder schwanger war. "Als sie beim Zähneputzen sogar den Wasserbecher austrank, sind wir mit ihr zum Arzt", erzählt sie.
Die Diagnose lautet Diabetes mellitus Typ 1. Nach aktuellen Schätzungen von Ärzten sind davon bundesweit zwischen 21 000 und 24 000 Kinder betroffen. Die Tendenz ist steigend.
Maries Blutwerte spielen verrückt
In Maries Fall kommt hinzu, dass sie an einer besonders schweren Form der Diabetes leidet. Ihre Blutzuckerwerte spielen völlig verrückt. Bei gesunden Kindern liegen die Werte laut Kriterien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft zwischen 3,3 und 5,5 Millimol pro Liter. Bei Marie schwanken sie zwischen 1,7 und über 30. Im Stundentakt müssen ihre Eltern deshalb den Blutzucker kontrollieren.
Seit sie die Diagnose kennen, leben Maries Eltern ständig in Angst. Die Sorge, dass Marie nachts unbemerkt einen Zuckerschock erleiden und in ein Koma fallen könnte, lässt sie nicht mehr schlafen. Abwechselnd, alle zwei Stunden, stehen Mutter und Vater auf, schleichen ans Bett der Kleinen und überprüfen ihre Werte.
Die Folgen der Erkrankung - Marie muss sich zeitweise bis zu zehnmal am Tag Insulin spritzen - nagen nicht nur an den Eltern, sondern auch an dem Mädchen selbst. Schon ein halbes Jahr nach der Diagnose baute es spürbar ab. "Maries Wesen hat sich völlig verändert", sagt ihre Mutter. Die Zehnjährige wirkt apathisch, leidet an Gedächtnisverlust und hat vor allem in der Grundschule Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Weil ihr Körper durch das häufige Spritzen von blauen Flecken übersät ist, wird ihr schließlich eine Insulinpumpe eingepflanzt. "Heute zeigt sie Anzeichen einer Depression", sagt Christine Schwertner.
Im vergangenen Jahr findet die Schwerkranke ihr Lächeln plötzlich wieder. Hoffnung kommt auf, als die Familie nach Österreich fährt. In einem Fernsehbericht hatte sie von speziellen Diabetes-Warnhunden gehört. Wie Blindenhunde unterstützen diese Vierbeiner Diabetiker im Alltag und werden im Fall einer plötzlichen Unter- oder Überzuckerung zum Lebensretter.
Als die Familie im "Animal-Training-Center" nahe Graz eintrifft, steuert Mila direkt auf das Mädchen zu. "Sie ging zu Marie und gab ihr sofort das Pfötchen", erinnert sich Tiertrainerin Barbara Glatz an die Begegnung. Das war jedoch keine freundliche Geste, sondern bereits ein Alarmsignal.
"Wir waren von Mila begeistert", sagt die Mutter. Für die Familie und vor allem Marie wäre der Hund die Rettung. Der Sensor auf vier Beinen würde die Schwerkranke auf Schritt und Tritt begleiten und die Angst der Eltern mindern. Eine solche Spürnase hat jedoch auch ihren Preis: 20 000 Euro müsste Familie Schwertner zahlen.
Da der Hund nicht nur Maries Leben retten, sondern ihr auch neue Freude schenken kann, fragte Christine Schwertner bei ihrer Krankenkasse an. "Dort wurde mir gesagt, dass es für Diabetiker-Warnhunde keine Erstattung der Kosten gibt." Die Familie müsste das Geld für den Hund wie schon für einzelne Untersuchungen oder Spezialpflaster für die an einer Allergie leidende Marie selbst tragen. Andrea Ludolph, Sprecherin der IKK classic, bestätigte am Freitag gegenüber der MZ diese Praxis. "Ein solcher Hund ist nicht Bestandteil der Heil- und Hilfsmittel, die von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden", erklärte sie. Der Familie stehe es jedoch frei, einen offiziellen Antrag bei der IKK classic einzureichen und auf eine Entscheidung im Einzelfall zu hoffen. "Das Seltsame ist ja, dass Kosten für Blindenhunde von den Kassen erstattet werden", sagt Christine Schwertner.
Laut Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung würden Diabetes-Warnhunde nicht die Folgen der Erkrankung im gesamten täglichen Leben ausgleichen - Blindenhunde schon. Familie Schwertner hofft nun, Mila über Spenden finanzieren zu können - damit die kleine Marie wieder lachen kann.