Deutsche Amateurgrillmeister Deutsche Amateurgrillmeisterschaft: Wie drei Frauen aus Sachsen-Anhalt den Titel holten

Colbitz - Frauen am Grill? Na klar, behauptete vor ein paar Jahren ein Kochbuch, das sich von zwei Seiten lesen lässt: Einmal für „echte Kerle“, mit Anleitungen für Fleisch und Wurst satt, und andersherum für „richtige Mädchen“ mit Rezepten für Gemüse, Süßes und Spießchen. Nach dem Motto: „Männer an die Grillzangen, Frauen an die Beilagen!“ Für Feuer und Fleisch sind noch immer die Herren zuständig, so scheint es - sei es bei der Gartenparty oder Grillmeisterschaft.
Wobei die Frauen auch hier dabei sind, Terrain zu erobern, wie drei Sachsen-Anhalterinnen kürzlich eindrucksvoll bewiesen haben: Bei den Deutschen Grillmeisterschaften im hessischen Fulda holten Susi Maaß, Nadine Senst und Steffi Hoppe aus dem kleinen Ort Colbitz bei Magdeburg zusammen mit dem Namensgeber ihres Teams „Ringo’s Stars“ und einigen Helfern aus dem Stand den Titel „Deutsche Amateurgrillmeister 2019“. Qualifiziert hatten sie sich im vorigen Jahr vor allem durch die vielen Punkte für ihr - Achtung, Klischee! - Dessert.
Gewinnerinnen der Deutschen Amateurgrillmeisterschaft: Idee entstand bei einem Bier
„Die Idee entstand auf einer Geburtstagsfeier beim Bier“, erinnert sich Steffi Hoppe, „die Männer erzählten, dass sie eine Landesmeisterschaft im Grillen ausrichten wollten. Da haben wir aus Gag gesagt, wir machen mit.“
Das war im Frühjahr 2018, die Männer hatten damals schon ein Grillteam namens „GoGrillaz“, die Frauen waren bis dahin eher als Unterstützer aufgetreten. Dass es einmal genau umgedreht sein würde, ahnte damals niemand.
Doch beide Seiten machten ihre Pläne wahr: Es gab in Colbitz Sachsen-Anhalts erste Landesgrillmeisterschaften, zertifiziert von der German Barbecue Association, die die Deutschen Meisterschaften veranstaltet. Die „Ringo’s Stars“ nahmen teil, gewannen - und qualifizierten sich so für den Bundeswettbewerb.
Hobby-Grillmeister: „Früher gab es eigentlich nur Männerteams.“
An diesem Samstag werden sie sich revanchieren und die „GoGrillaz“ bei der Organisation der zweiten Landesgrillmeisterschaften Sachsen-Anhalts im Rahmen des Heidefestes in Colbitz unterstützen. Und sie werden zeigen, was sie am Grill drauf haben: „Wir grillen Burger fürs Publikum“, berichtet Susi Maaß.
„Früher gab es eigentlich nur Männerteams, die Frauen waren höchstens für die Deko und fürs Spülen zuständig“, erzählt Volker Elm. Das habe sich aber deutlich gewandelt, freut sich der Präsident der German Barbecue Association: „Heute haben die Frauen genauso Mitsprache- und Grillrecht.“ Wobei die große Masse der Teilnehmer bei den Deutschen Meisterschaften noch immer die Männer seien.
Von Geschmack bis Garzustand: Jury checkt jedes Detail
Bei dem jährlichen Event im Sommer müssen die Teams mehrere vorgegebene Gänge auf dem Grill zubereiten, eine Jury vergibt für jedes Detail - von Geschmack bis Garzustand - Punkte. Sowohl für die einzelnen Gerichte werden Pokale vergeben, als auch für den Gesamtsieg in den Klassen Amateure und Profis.
Wobei der Teamchef der Profis zum Deutschen Grillkönig gekürt wird. Ein Titel, der neben einem Preisgeld von 3.000 Euro für das Siegerteam Prestige und Vermarktungschancen mit sich bringt, wie Volker Elm sagt. „Deshalb ist der Druck zuletzt immer mehr angestiegen.“ Die Teilnehmerzahl auch.
Wie kommt es, dass Grillen hierzulande einen seit Jahren anhaltenden Boom erfährt? „Ich sage immer: Grillen ist die beste Medizin gegen Depressionen“, so Elm, „denn das macht man nicht alleine.“ Bei lockerer Stimmung entstünden Gespräche, die man bei einem förmlichen Essen eher nicht führen würde, glaubt er.
Amateurszene grillt auf Gourmet-Niveau
Dabei grillt die Szene inzwischen auf Gourmet-Niveau. Geänderte Ernährungsgewohnheiten ebenso wie der Fokus auf Nachhaltigkeit spiegeln sich auch hier wider. „Es gibt ja auch tolle vegetarische Gerichte, die man auf dem Grill zubereiten kann“, sagt der Präsident des Interessenverbandes der Grillfreunde, der nicht nur das Grillen in der Freizeit fördern will, sondern auch die variantenreiche Zubereitung mit regionalen Produkten und biologisch wertvollen Waren im Blick hat, wie die German Barbecue Association ihre Ziele beschreibt.
Elm wird in der Szene noch immer scherzhaft als „Bratwurstmörder“ bezeichnet. Hat er doch die lange zur Profiklasse gehörende Wettbewerbskategorie „Bratwurst“ gegen „Vegetarisches“ eingetauscht. Wobei er betont: „Ich liebe Bratwürste!“ Nur hielt er es eben für wichtig, alle - auch Vegetarier - an den Rost zu bringen.
Frauen aus Colbitz punkten mit Erfolgsdessert
Wie hoch das Niveau ist, zeigt auch das Erfolgsdessert der Frauen aus Colbitz, das eher klingt, als sei es der Speisekarte eines Sterne-Restaurants entnommen: Schokoküchlein mit flüssigem Kern zu Pfirsich mit Karamell-Crunch auf gegrilltem Pancake mit Marshmallow-Erdbeer-Topping und Beeren-Gin-Sauce. „Wir konnten uns zwischen zwei Nachtisch-Ideen nicht entscheiden“, so Steffi Hoppe, „also haben wir beide zu einem Dessert gemacht.“
Nicht nur dieses punktete bei den Juroren. Die Frauen können auch Fleisch! Sie belegten in den weiteren Kategorien Schweinefleisch, Fisch und Rehkeule zweite, dritte und vierte Plätze und ließen mit ihrer Gesamtpunktzahl die 22 anderen Amateurteams hinter sich.
Klischees am Grill: Frauen fürs Filigrane, Männer fürs Grobe?
Grillen Frauen anders? „Ich denke, Frauen agieren meist etwas filigraner: Sie haben eine feinere Zunge, was die Aromen angeht, und achten mehr darauf, wie etwas zusammenpasst und präsentiert wird“, ist Elm überzeugt. Die Männer seien eher fürs Grobe zuständig.
Ähnlich sehen das die Colbitzerinnen. „Beim Zusammenstellen und Anrichten der Gerichte sind Frauen, denke ich, kreativer“, sagt Teamchefin Susi Maaß. Und Nadine Senst meint: „Ich weiß nicht, ob Männer so viele verschiedene Varianten ausprobieren würden.“
Deutsche Amateurgrillmeister: Zehn Wochen Training für die Meisterschaft
Vor den Meisterschaften hatte das Team zehn Wochen lang fast jeden Sonntag trainiert. Trotz des Erfolges soll das Grillen für die Frauen, die alle Kinder haben und in ganz anderen Bereichen arbeiten, Hobby bleiben. „Der Spaßfaktor soll im Vordergrund stehen“, sagt Steffi Hoppe. An Wettbewerben wollen sie aber natürlich wieder teilnehmen.
Allen voran an den Deutschen Grillmeisterschaften im August 2020. Da wollen sie sich dann in der Profiklasse behaupten. Auch der Präsident der German Barbecue Association hätte nichts gegen einen Erfolg der Colbitzerinnen: „Das erste Mal eine Grillkönigin - das wäre doch eine riesige Geschichte!“
››Landesgrillmeisterschaften am 7. September ab 10 Uhr auf dem Kirchplatz in Colbitz
