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DDR-Rückschau DDR-Rückschau: Es war nicht alles gut

Von HENDRIK KRANERT 08.05.2009, 14:12
Lachend posieren Schülerinnen der Pettenkofer-Grundschule im Freizeit und Erholungszentrum FEZ in Berlin Köpenick im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel «Sag, was war die DDR?» in der Kleidung Junger Pioniere. (FOTO: DPA)
Lachend posieren Schülerinnen der Pettenkofer-Grundschule im Freizeit und Erholungszentrum FEZ in Berlin Köpenick im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel «Sag, was war die DDR?» in der Kleidung Junger Pioniere. (FOTO: DPA) dpa

MAGDEBURG/MZ. - Ein Riss ging am Freitag durch Sachsen-Anhalts Landtag: Die Linke aufder einen Seite, CDU, SPD und FDP auf deranderen - und das bei einem Thema, das zunächstgar keinen Streit verhieß. Das Parlament wolltemit seiner Debatte den 60. Geburtstag desGrundgesetzes würdigen. Das taten auch alleRedner einhellig. Vorrangig ging es jedochum die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaatwar.

"Wir würden heute nicht hier im Landtag sitzen,wenn es die friedliche Revolution vor 20 Jahrennicht gegeben hätte", sagte Rüdiger Fikentscher(SPD). Die DDR sei eine Sowjetrepublik gewesen,in der "den Menschen vorgegaukelt wurde, siehätten selbstbestimmt leben können, nur Freiheitgab es nicht". Fikentscher nahm das Wort "Unrechtsstaat"nicht in den Mund, das brauchte er auch garnicht. Er fügte ein Argument an das nächste -am Ende hatte Fikentscher die DDR als "morschesSystem" entlarvt, das "ausschließlich aufAngst gebaut war". Und den Satz "es war nichtalles schlecht" kanzelte er als "dümmlicheBemerkung" ab.

"Nicht nur Täter und Opfer"

FDP-Fraktionschef Veit Wolpert hatte dieseWendung zuvor benutzt, um auf das Vorhandenseinvon menschlichen Werten auch in der DDR hinzuweisen:"Es ist ja nicht so, dass es nur 17 MillionenTäter und Opfer gab." Wolpert machte aberdeutlich, dass in der DDR jene Rechte fehlten,die den Rechtsstaat ausmachen: Meinungs-,Versammlungs-, Rede- und Berufsfreiheit. "DieGrundsätze des Rechtsstaats wurden mit Füßengetreten. Dass die DDR ein Unrechtsstaat war,steht außer Frage."

Auch Jürgen Scharf, Chef der CDU-Landtagsfraktion,warnte eindringlich vor einem verklärten Bildder DDR. "Wir sollen Herrn Gallert nicht gestatten,die Geschichte der untergegangenen DDR umzuinterpretieren."Gemeint war Linken-Fraktionschef Wulf Gallert.Der hatte in einem Zeitungsinterview erklärt,der Begriff Unrechtsstaat diene nur dazu,ein Land "moralisch zu diskreditieren". Scharferklärte, dass die DDR "nach allen Definitionenein Unrechtsstaat war". Auch wenn es unterder sozialistischen Diktatur gelungenes Lebenund Gesetze gegeben habe, "macht das die DDRnoch nicht zum Rechtsstaat".

Ein anderes Geschichtsbild

Gallert ging auf die Attacken gegen ihnund seine Partei zunächst nicht ein. Er referierte- scheinbar ruhig - über das Grundgesetz,das die Linke wie alle demokratischen Parteienbereit sei zu verteidigen. Doch innerlichkochte der Linke und es dauerte nicht lange,bis es aus ihm herausbrach: "Die DDR war sehrviel differenzierter, als dass man sie mitdem Wort Unrechtsstaat beschreiben kann."Es sei darüber hinaus gefährlich, der DDRihre Motivation der sozialen Gerechtigkeitabzusprechen und sie ausschließlich auf dasMotiv der Angst zu reduzieren. "Die DDR darfnicht als negatives Kontrastprogramm zur Legitimationdes Grundgesetzes, also als erzieherischesAbschreckungsmittel reduziert werden", soGallert. Er vertrete in diesem Zusammenhangein anderes Geschichtsbild als Scharf undWolpert. In SPD und FDP, vor allem aber inder CDU, sorgte dies für lautstarke Proteste.

Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) gingin seiner Rede auf die DDR nur am Rande ein:Es gebe Enttäuschung über die juristischeAufarbeitung der DDR-Diktatur. "Das ist menschlichauf den ersten Blick verständlich, aber derpraktizierte Rechtsstaat." Das Wort "Unrechtsstaat"erwähnte Böhmer nicht.