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Concordia-See Concordia-See: Geheime Militäranlage am Tagebau?

Von JOACHIM WILLE 15.07.2010, 18:42

NACHTERSTEDT/MZ. - Unweit des Erdrutschgebietesam Concordia-See hat es im Zweiten Weltkriegmöglicherweise geheime militärische Anlagengegeben, in denen Kampfstoffe produziert undgelagert wurden. Das belegt ein Geheimberichtder US-Armee, der der Frankfurter Rundschauvorliegt. Die Tagebau-Sanierungsfirma LMBVwill den Hinweisen nachgehen. Sie betont aber:Es gebe keine Anzeichen, dass es in der RegionAltlasten dieser Art geben könnte.

Konkret geht es um eine "IG Farben Gas Plant",die vor Kriegsende auf einem Industriegeländein der Nähe des Braunkohle-Tagebaus gestandenhaben soll. Die Anlage findet sich in einerListe, die eine US-Einheit im Februar 1945aufgrund von Aussagen eines Kriegsgefangenengefertigt hatte. Den Waffen-SS-Mann, einen"Schützen Plumeyer", hatten die AmerikanerEnde 1944 festgenommen. Er berichtete in Verhörenüber Militäranlagen der Nazis, in denen Sprengstoffeund Kampfgase hergestellt wurden - darunterdie "Munitionsanstalten" des deutschen Militärs("Muna") in Aschersleben und Güsen.

Der Tagebau Concordia bei Nachterstedt gehörtedem Chemiekonzern IG-Farben, der die Nazi-Kriegsmaschinerieam Laufen hielt. Laut US-Report lag die geheimeAnlage im Westen der Brikettfabrik am Randedes Tagebaus, die Ende der 50er Jahre demontiertworden ist. Der Waffen-SS-Mann identifizierteauf dem Luftbild, das ihm die Amerikaner zeigten,die "Gas-Fabrik" und "Gas-Behälter". Weiterberichtet er über ein unterirdisches Lagerfür offenbar "wichtiges Material, möglicherweiseGas", das "intensiv von Militär bewacht wurde".Laut Plumeyer lag es in der Nähe der Siedlung,die nach dem Erdrutsch gesperrt ist. Heutebefinden sich an der Stelle Abraumhalden.

Offizielle Stellen haben keine Kenntnisvon möglicher Giftgas-Produktion. Dass dochetwas an dem Verdacht dran sein könnte, bestätigtSiegfried Damm vom Bergmannsverein Nachterstedt,der ab 1964 im Brikett-Werk arbeitete. "Früherhaben die Leute erzählt: Hier wurde auch Zyklon Bproduziert" - jedoch im nahegelegenen IG-Farben-Werkim Nachbarort Frose. Dieses, inzwischen abgetragenund saniert, taucht nach Abgaben des EspelkamperJuristen Dirk Finkemeier, der zu Militäranlagenim Zweiten Weltkrieg recherchiert, in britischenDokumenten "als militärisch wichtige Anlage"auf.

Die LMBV will eine Untersuchung beim Militärarchivdes Bundes in Auftrag geben. Indizien fürdie "Giftgastheorie" gebe es aber nicht, sagteder Leiter des Sonderstabs Nachterstedt, DirkHenssen. So sei ein Teil der Zone, in derder Eingang des Gas-Lagers gewesen sein müsste,vor Jahrzehnten abgebaggert worden. "Hinweiseauf einen Bunker gab es nicht." Zudem habedie Sanierung erst nach der Erteilung einer"Kampfmittelfreigabe" durch den Kreis begonnen.