1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. „Wir ertragen es nicht mehr“ - Heftiger Nachbarschaftsstreit in Hohenmölsen

Lärmbelästigung und Beleidigungen contra fehlende Toleranz und Ausländerfeindlichkeit „Wir ertragen es nicht mehr“ - Heftiger Nachbarschaftsstreit in Hohenmölsen

Was die Beteiligten sagen und wie Stadt und Polizei die Situation einschätzen.

Von Tobias Schlegel 26.07.2021, 16:30
Nachbarn halten einen Paragraphen ueber einer Hecke - Symbolfoto
Nachbarn halten einen Paragraphen ueber einer Hecke - Symbolfoto (Foto: photothek/Imago)

Hohenmölsen/MZ - Die eine Seite spricht von Lärmbelästigung, Ruhestörung und Beleidigungen, die andere von fehlender Toleranz und Ausländerfeindlichkeit. In der Hohenmölsener August-Bebel-Straße herrscht ein Nachbarschaftsstreit der üblen Sorte. Konkret geht es um ein Wohnhaus, in dem etwa ein Dutzend südosteuropäische Personen leben. Der Eigentümer, ein Bulgare, hat das Haus vor etwa fünf Jahren gekauft. Die direkte Nachbarschaft hat sich vor Kurzem an die MZ gewandt. Aus Angst vor möglichen Racheaktionen wollen die Anwohner anonym bleiben.

Die Leute beklagen, dass sie kaum noch eine ruhige Minute haben und sich von den ausländischen Nachbarn gestört fühlen. Ständig gebe es Lärm, vor allem an den Wochenenden. Laute Bässe und Musik bis tief in die Nacht, Krach durch laute Motorräder an Sonntagen, Grillfeste, bei denen der Rauch bis in die Häuser der Nachbarn zieht. Dazu kommen ganztägig lautstarke Gespräche, von denen sich die Anwohner belästigt fühlen. „Wir können nicht mehr und wir ertragen es nicht mehr“, sagt eine Anwohnerin. Man habe nichts gegen Ausländer, sei aber der Ansicht, dass sich die ausländischen Mitbürger den Gepflogenheiten des Landes anpassen sollten.

Mit den Bulgaren zu reden, so die Nachbarn, sei sinnlos. „Ich wurde von einer Frau als Idiot beschimpft“, sagt ein Nachbar. Und ihm wurde gesagt, er solle doch wegziehen, wenn er es nicht mehr aushalte. Seitdem herrscht Funkstille zwischen den Parteien, die sich auch schon vor der Schiedsstelle getroffen haben. Einer der Anwohner erzählt, der bulgarische Eigentümer des Hauses habe dort gemeint, dass er im Recht sei und seine Lebensweise nicht ändern werde.

Nachtruhe wird eingehalten

Die MZ erreicht den besagten Eigentümer am Telefon. Er wohnt mit seiner Familie in Leipzig. In seinem Haus in Hohenmölsen wohnen Verwandte, sagt er. Die von den Nachbarn erhobenen Vorwürfe streitet er ab. „Wir sind normale Menschen, gehen arbeiten. Ich verstehe nicht, was für ein Problem die Nachbarn haben“, sagt er. Die gesetzliche Nachtruhe ab 22 Uhr werde von ihm und seinen Verwandten eingehalten. „Wir machen dann die Musik leiser“, sagt er. Im Gegenzug erheben der Bulgare und seine Familie Vorwürfe gegen ihre Nachbarn, sie rassistisch beleidigt zu haben. „Sie meinten, wir sollen so leben wie sie oder in unser Land zurückgehen“, sagt die Tochter des Eigentümers.

Indes sind die Nachbarschaftsstreitereien in der August-Bebel-Straße auch beim Ordnungsamt der Stadt Hohenmölsen nicht unbemerkt geblieben. Die Verwaltung sieht die Zustände als „kritisch“ an. „Seit August 2019 sind bei der Stadt mehrere Beschwerden und Anzeigen durch die direkten Anwohner eingegangen“, sagt Tino Ecker, Sachgebietsleiter für Ordnung und Sicherheit, auf MZ-Nachfrage. Die Anwohner fühlen sich indes von der Stadt im Stich gelassen. „Keiner traut sich, etwas gegen die Zustände zu unternehmen, weder Polizei noch Ordnungsamt. Wir wollen doch einfach nur Ruhe. Aber keiner hilft uns“, so die Nachbarn.

Stadt Hohenmölsen widerspricht

Die Stadt widerspricht dem. So seien bereits Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die ausländischen Bewohner eingeleitet worden und es wurden mündliche und schriftliche Verwarnungen inklusive eines Verwarngeldes ausgesprochen, so Ecker.

Die Polizei bestätigt das. Zweimal seien die Beamten 2019 und 2020 wegen ruhestörenden Lärms zu dem Wohnhaus gerufen worden. „Entsprechend festgestellte Ordnungswidrigkeiten wurden an das Ordnungsamt der Stadt weitergeleitet und durch dieses geahndet“, sagt Polizeisprecherin Gesine Kerwien der MZ. Insgesamt musste die Polizei in der Vergangenheit sechsmal zu dem Wohnhaus ausrücken. Einmal hatten die ausländischen Bürger selbst die Polizei gerufen, als es Streit mit den Nachbarn gegeben hatte. „Darüber hinaus gab es zwei Einsätze wegen Körperverletzungsdelikten. Diese Verfahren wurden durch die Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen bzw. wegen Geringfügigkeit eingestellt“, sagt Gesine Kerwien. Zudem haben bulgarische Bewohner des Hauses bei der Polizei Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Die Ermittlungen dauern hier noch an.

Nachbarn sollen wegziehen

Eine Lösung des Konfliktes ist derweil nicht in Sicht. Die Stadt spricht von Nachbarschaftsstreitereien und empfiehlt noch mal den Besuch auf der städtischen Schiedsstelle. Aus Sicht der bulgarischen Bewohner des Hauses gibt es nur eine Lösung. „Die Leute sollen wegziehen, wenn sie Probleme mit uns haben“, sagt die Tochter des Eigentümers. Das sehen die Nachbarn nicht ein: „Ich wohne seit 1996 hier“, sagt einer von ihnen.