Unwetter Unwetter : Nacht in Schlamm und Chaos

Bad Bibra/Gleina/Bucha - Man will am Sonnabend gar nicht glauben, was am Tag zuvor passiert ist. Die Sonne strahlt von einem fast makellosen blauen Himmel, es ist warm und beinah windstill. Doch in Bad Bibra können viele nicht ans Ausspannen denken, sie beseitigen, was der Freitagabend ihnen bescherte.
Kurz nach 18 Uhr bricht das Unheil herein. Der Himmel ist schwarz, es prasseln riesige Hagelkörner hernieder - und vor allem schüttet es sintflutartig. Dann ist sie da, die Schlammlawine. Von den Feldern bahnt sich der Matsch talwärts seinen Weg, speist den Stein-, Biber- und Saubach und flutet die Lauchaer Straße. Von hier ergießt sich der Schlamm in die Gehöfte.
Krimhild Kathe kann es noch gar nicht fassen. „Vor 47 Jahren war es genauso schlimm.“ Als die Seniorin Sonnabendmittag mit Gummistiefeln auf dem Hof ihres Grundstückes in der Lauchaer Straße 63 steht, sieht es schon wieder ziemlich aufgeräumt aus, nur im etwas tiefer gelegenen Schuppen überdeckt der braune Matsch noch Hab und Gut. Knapp einen halben Meter hatte der Schlamm im Hof gestanden, an der Hauswand ist der „Pegel“ noch gut zu sehen. Krimhild Kathe, die ganze Familie und Freunde haben fast die ganze Nacht geschuftet, um dem Chaos Herr zu werden. „Gegen 2 Uhr waren wir alle am Ende. Da habe ich gesagt, Schluss jetzt“, erzählt Frau Kathe. Wie groß der Schaden an Haus und Hof ist, wird sich noch zeigen müssen. Ein Fall für die Werkstatt ist Kathes Skoda. Als der Schlamm kam, stand das Auto auf der Straße und wurde mitgerissen. Dass nichts Schlimmeres passiert ist - ein Wunder. Kathes wollten gerade wegfahren.
Entlang der Lauchaer Straße hat es so ziemlich jeden Hof getroffen, überall wird am Sonnabend gekärchert und geschrubbt, der Schlamm zusammengeschoben. An vielen Stellen ist schweres Gerät im Einsatz. Der Abwasserzweckverband pumpt Schächte frei und spült sie. Die Straße, Teil der B 250, ist voll gesperrt, nur in Ausnahmefällen dürfen Nicht-Anlieger passieren. Damit das funktioniert, wacht das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde an der Finne an den von der Polizei aufgestellten Sperren. „Mindestens bis Montag lassen wir die Straße zu, auch die Altenrodaer, wo eine Böschung abgegangen ist“, sagt Maik Wittke, Teamleiter Ordnung und Recht der Finne-Verwaltung. Er zollt den vielen Helfern, den Firmen, die schnell schwere Technik bereitstellten, Dank. „Da funktionierte vieles, was nicht selbstverständlich ist.“ Auch die Feuerwehren seien an die Grenzen des Machbaren gegangen, selbst wenn das mancher Einwohner anders gesehen habe, sogar ausfällig geworden sei. Wittke: „Es ist leider so, an der Grundstücksgrenze ist für die Wehren Schluss, dann nämlich wird’s kostenpflichtig und meist teurer, als wenn Firmen angefordert werden.“ Gemeindewehrleiter Thomas Schönfuß bestätigt das und will vor allem eines erwähnt wissen: „Das sind alles Ehrenamtliche. Und viele von ihnen haben etliche Nachtstunden Einsatz hinter sich und heute Jugendweihe. Zwei feiern sogar Hochzeit.“
Nicht nur Bad Bibra hat es hart getroffen. Auch den Ortsteil Altenroda, der wie im September letzten Jahres von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht wurde, die Massen von Erde von den Feldern holten. Zwischen Karsdorf und Nebra legte das Unwetter den Bahnverkehr lahm, da in diesem Bereich Gleise unterspült wurden. Ersatzweise fuhren Busse. Im Burgenlandkreis rückten Freitagabend und -nacht insgesamt 30 Feuerwehren mit 209 Männern und Frauen aus. Einsatzorte im Bereich Finne waren neben Bad Bibra und Altenroda auch Bucha, Memleben, Wippach und Herrengosserstedt sowie die Straßen zwischen Eckartsberga und Frankroda, außerdem jene zwischen Klosterhäseler und Burgheßler. Im Unstruttal besonders betroffen: Gleina und Nebra. „Es war schlimm“, berichtet später Gleinas Bürgermeister Gerd Blankenburg. „Es hat etliche Häuser erwischt. Der Schlamm lief von einem nahe der Bundesstraße gelegenen Rübenfeld die Hauptstraße des Ortes hinunter.“
Als Ursache für die Flut vermutet Blankenburg den Neubau der Bundesstraße, die nicht an das vorherige Niveau angepasst worden sei. Am heutigen Montag sollen die Versicherungsschäden aufgenommen werden. Auswirkungen hatte das Unwetter auch auf den Sport. Unter anderem wurden am Sonnabend wegen der überfluteten „Unstruthalle“ in Nebra die U-9-Landesmeisterschaften im Floorball abgesagt.
Auch in Freyburg, Laucha, Reinsdorf, Wangen, Karsdorf und Wetzendorf waren Feuerwehren im Einsatz. In Naumburg sicherten sie vereinzelt Straßen, einen Einsatz gab es zudem in Neidschütz. Der Kanal am Naumburger Buchholzgraben musste von Treibgut, zwischen der Domstadt und dem Ortsteil Neidschütz eine Brücke von Schlamm und Geröll befreit werden. Landrat Götz Ulrich (CDU), selbst in Bad Bibra wohnend, in einer ersten Reaktion nach dem Unwetter: „Die Feuerwehren haben eine hervorragende Arbeit gemacht.“