23.000 Kilometer Robby Clemens aus Hohenmölsen: Ich lauf dann mal los - Vom Nordpol zum Südpol - auch Tom Hanks will ihn treffen Gump

Hohenmölsen - Plötzlich war der Pickup mit den vermummten Gestalten auf der Ladefläche wieder da. Nicht einmal eine Stunde zuvor hatte der Wagen Robby Clemens schon einmal überholt. „Mir wurde in diesem Moment richtig mulmig zumute“, erzählt der Extremläufer aus Hohenmölsen (Burgenlandkreis). Dabei hatte er doch auf die mexikanische Polizei gehört.
Als er auf seiner Reise vom Nord- zum Südpol in das mittelamerikanische Land kam, rieten ihm die Beamten, dass er kleine Straßen meiden soll - die seien viel zu gefährlich. Sie empfahlen ihm die Autobahn. „Zu Fuß auf einer Schnellstraße zu laufen, war erst einmal ungewohnt“, erzählt Clemens. Doch selbst Bauern trieben ihr Vieh über die Autobahn. Der Läufer fiel kaum auf.
Doch dann war da der Pickup, der dieses Mal sogar anhielt. „Die Gestalten auf der Ladefläche holten mich zu sich - da rutschte mir das Herz in die Hose.“ Doch als er am Wagen angekommen war, stieg eine ältere Frau aus. „Sie kam zu mir und überreichte mir Essen und Trinken“, erinnert sich Clemens. Die Frau hatte in der Zeitung von ihm gelesen und bot gleich einen Schlafplatz an. „Ich durfte das Bett nehmen und sie und ihr Mann übernachteten auf dem Boden.“
„Kauf dir Laufschuhe, fang an“ - ein Satz bringt für Robby Clemens die Wende
Es ist diese Geschichte, die Robby Clemens zuerst erzählt, wenn er von seiner Reise vom nördlichsten zum südlichsten Punkt der Erde berichtet. „Die Herzlichkeit der Menschen hat mich immer wieder überrascht und berührt.“ Im April 2017 war er zu seiner Langzeitwanderung aufgebrochen. In der Arktis startete er mit dem Nordpolmarathon, querte dann Grönland und durchlief anschließend den amerikanischen Kontinent von Nord nach Süd. Er passierte ewiges Eis und feurige Vulkane. Ging durch menschenleere Landschaften und überfüllte Metropolen. Im von Drogenhändlern kontrollierten Dschungel stoppt ihn zwar die Polizei, aufgehalten hat das Clemens aber nicht.
Für den 57-Jährigen war diese Weltreise nicht der erste Mega-Fußmarsch. Bereits 2007 umrundete er die Erde - in Ost-West-Richtung. Seine Wanderlust hat dabei einen ernsten Ursprung. Denn mit dem Laufen besiegte Clemens eine Sucht, die ihn fast umgebracht hätte. Bevor er lange Strecken in Angriff nahm, führte der Mann aus dem Burgenlandkreis eine Handwerksfirma. Sein Betrieb florierte nach der Wende. Die Auftragsbücher waren voll, die Zahlungsmoral jedoch gering. „Die Kunden ließen sich Zeit, manche beglichen ihre Schulden auch nie“, sagt Clemens. Für ihn bedeutete das den Ruin.
Um an Geld zu kommen, verpfändet er sogar das Haus seiner Eltern. Seine Sorgen bekämpft er mit Alkohol. Erst als ein Arzt ihm sagt, dass das Trinken ihn töten könne, rüttelt ihn das wach. Clemens besucht ein Motivationsseminar, von dem ihm ein Satz in Erinnerung bleibt: „Kauf dir Laufschuhe und fang an zu rennen.“
Bald Autor? Bei Robby Clemens könnte es besser nicht laufen
Die Runde im Stadion schafft er nur mit viel Mühe. 1998 ist das. Zwei Jahre später rennt er seinen ersten Marathon. Laufen ist Robby Clemens’ neue Droge. Den Alkohol hat er verbannt. Seine Ziele werden immer höher. Oft läuft er auch für wohltätige Zwecke. Er ist ein Getriebener, der seine Leidenschaft zum Beruf macht. Heute arbeitet er als Motivationscoach und Autor. Auch über seine Pol-zu-Pol-Reise will er ein Buch schreiben.
Nach dem Nordpolmarathon im April 2017 und der Querung Grönlands fliegt Clemens nach Kanada. Eigentlich will er allein laufen, doch in den USA macht ihm die Polizei einen Strich durch die Rechnung. „Um Geld zu sparen, wollte ich immer unter freiem Himmel schlafen“, erzählt Clemens. Doch eines Abends kamen zwei Sheriffs auf ihn zu und fragten ihn, was er mache.
„Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich vom Nord- zum Südpol laufe - die dachten sicher, dass ich verrückt bin und einer von beiden legte gleich die Hand an seine Waffe.“ Doch Clemens zeigt Bilder seiner Reise und entspannt die Situation - unter freiem Himmel schlafen darf er trotzdem nicht.
Pol-zu-Pol-Lauf ist auch ein Gemeinschaftsprojekt
Da Hotels auf Dauer zu teuer sind, muss eine andere Lösung her. Hilfe kommt aus der Heimat. „Freunde hatten eine Spendenaktion gestartet, um mir ein Auto zu kaufen.“ Außerdem suchten sie Leute, die das Auto fahren - Clemens will schließlich laufen. Genug Geld kommt zusammen, ebenso wie ausreichend freiwillige Begleiter. Der Wagen dient in der Nacht als Schlafplatz. Getauft wird er auf den Namen „Frankie“, denn auch Schlagersänger Frank Schöbel hat gespendet - immerhin sang der einst, was Robby Clemens gerade umsetzte: „Ich geh’ vom Nordpol zum Südpol zu Fuß“.
Schöbel ist nicht der einzige Prominente, der auf den Weltenbummler aufmerksam wird. Die Pyro-Rocker von Rammstein laden Clemens zu ihrem Konzert nach New York ein - und hören sich danach bis sechs Uhr am Morgen seine Geschichte an. Und auch mit Tom Hanks wollte der Dauerläufer eigentlich ein Benefiz-Rennen veranstalten.
Robby Clemens ist Ehrenbürger von Houston
Schon 2007, bei seiner Weltumrundung, kontaktiert ihn das Management des Schauspielers. Damals schrieben viele Zeitungen in den USA über den deutschen „Forrest Gump“. Der Vergleich geht auf eine von Tom Hanks gespielte Filmfigur zurück, die im Streifen zu Fuß durch die USA läuft. Das Treffen wird jedoch von einem Hurrikan verhindert. „Wir wollen das aber in diesem Jahr nachholen“, sagt Clemens.
Stattfinden könnte der Lauf in Houston (Texas), wo der Hohenmölsener sogar Ehrenbürger ist. „Bei einem Vortrag kam der Bürgermeister einfach in den Raum und verkündete die Ehrung“, erzählt der 57-Jährige. Einen besonderen Grund gab es eigentlich nicht. „Amerikaner lieben einfach Geschichten, bei denen jemand wieder aufsteht, nachdem er gefallen ist.“
Marathon auf dem Mond
Doch nicht nur Auszeichnungen und Prominente, sondern viel mehr die Begegnungen mit den einfachen Menschen machen Clemens’ Reise aus - so wie mit jener Frau aus Mexiko. „Wir bekamen eigentlich überall Hilfe angeboten - und besonders die, die am wenigsten haben, waren oft bereit, das Meiste zu geben.“
Nur im Drogendschungel Panamas lässt ihn das Militär nicht passieren - zu gefährlich. Deswegen muss er noch einmal das Flugzeug nehmen. Frankie, das Auto, kommt im Schiffs-Container nach Kolumbien hinterher. Südamerika durchquert Clemens mit seinem Begleiter auf der legendären Fernstraße Panamericana: Atacama-Wüste, Titicacasee, Feuerland. Zuletzt fliegt er noch zur russischen Antarktis-Station Bellinghausen. „Von dort hätte ich zum Südpol laufen können“, erzählt Clemens. Die Expedition kostet allerdings 65.000 Dollar - zu viel für die Reisekasse.
Er fliegt zurück nach Hause, wo er kurz vor Weihnachten bei seiner Familie in Hohenmölsen eintrifft. Jetzt will er seine Reise erst einmal verarbeiten. Zudem stehen zahlreiche Vorträge an. Doch das nächste Abenteuer hat er schon im Blick: „Ich wäre gerne der erste Mensch, der auf dem Mond ein Marathon läuft“, sagt Robby Clemens - ein ebenso verrücktes wie unmögliches Vorhaben. Allerdings: Für jemanden, der die Welt zu Fuß durchlaufen hat, ist der Mond eigentlich gar nicht so weit entfernt. (mz)
