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MZ macht Sport MZ macht Sport: Übermut tut gut

Von JULIA REINARD 11.03.2011, 20:18

PÖLZIG/ZETTWEILL/MZ. - Voltigieren, was ist das noch mal genau? Diese Frage hätte ich vor meinem "Ja, mache ich" stellen sollen. Dann hätte ich mir die leicht dahin gesprochene Zusage vielleicht noch mal überlegt, schließlich verpflichtete mich der Satz zum Selbsttest dieses Sports. Und der hat es in sich: Voltigieren ist Turnen am Pferd.

Salzmünde gilt als Voltigierhochburg Sachsen-Anhalts; im Burgenlandkreis bietet nur der Pferdesportverein Würchwitz Voltigieren an - für Kinder als Einstieg ins Reiten. Drei von ihnen kommen mit mir zusammen in die Reithalle nach Pölzig, die Trainerin Ulrike Schramm organisiert hat.

Gemeinsames Aufwärmen

Zuerst laufen Marcus, Leonie, Angelina und ich uns warm. An einem langen Seil - der Longe - laufen auch die Tiere Runden: das kleine Pony Peggy und das große Pferd Celly (gesprochen: Kelly). Die Kinder und ich dehnen uns, schlüpfen in Turnschuhe und Sportzeug. "Spezielle Kleidung braucht man nicht", so Ulrike Schramm.

"Auf im Galopp", ruft die Trainerin und die Kinder tun genau das: Sie springen auf das galoppierende Pony. Dort halten sie sich an einem zweischlaufigen Riemen fest, der über die Turndecke und rund um das Pferd gebunden ist - und ziehen sich auf das Tier. Zuerst ist Leonie Schramm, die achtjährige Tochter der Trainerin, dran. Sie kniet auf Pony Peggy und reitet freihändig mit ausgebreiteten Armen. Dann kommt Marcus Bartl. Der Neunjährige soll sich auf den Pferderücken stellen und so weit wie möglich die Knie durchdrücken. Und auch die Kleinste, Angelina Keller, turnt über das Pferd. Am meisten beeindruckt mich ihre "Schere" - da schweben die Beine über dem Rücken in der Luft, sie verschränkt sie dort oben kurz, um dann auf Peggy zum Sitzen zu kommen.

Auf die "dicke Peggy", wie die Kinder sie liebevoll nennen, darf ich leider nicht. Ich muss auf das große, ich würde sogar sagen: sehr große Pferd.Anlauf zum Aufschwung

Ich tätschele der in der Nähe geradezu riesig erscheinenden Stute den Hals. Hier soll ich rauf? "Ein bisschen Anlauf und dann hochziehen", gibt Trainerin Schramm als Rat. Ich laufe an, greife mit den Armen in die Schlaufen, schwinge mein Bein herauf - und komme nicht bis auf den Rücken des Pferds. Ich muss loslassen und es noch mal probieren. Laufen, Hände, Schwung - statt aufzusitzen, umarme ich Celly von der Seite. Wenn das so weitergeht ...

Ulrike Schramm hat ein Einsehen und formt eine Räuberleiter. Mit Ach und Krach krabbele ich auf den Rücken und setze mich auf die Turnunterlage. Juhu, ich sitze 22 Jahre nach meinem letzten und einzig gebliebenen Reitversuch wieder auf einem Pferderücken. Celly geht eine Runde, ich soll den Rücken gerade und die Beine eng an den Flanken halten. Dann soll aus Reiten Voltigieren werden, indem ich die Schlaufen loslasse. Mit ausgebreiteten Armen und schön langsam traben wir eine Runde.

Die "Fahne" klappt ganz gut

Kniewaage - im Verein heißt es "Fahne" - versuche ich als nächstes. Ich ziehe die Beine unter mich auf den Pferderücken, kniee und strecke ein Bein nach hinten in die Luft. Es klappt. Na gut, es klappt kurz, dann rutscht mein stabilisierender Fuß weg, ich versuche dagegenzudrücken und wirke seltsam verdreht. "Wieder hinsetzen", sagt die Frau an der Longe. In diese Ausgangsposition kommt man nach jedem Element, damit im Wettkampfsport die Teile ordentlich voneinander getrennt werden. Ich probiere es nochmal, halte das Bein länger oben. "Jetzt noch Füße strecken, Knie durchdrücken", ruft Ulrike Schramm. Hier kommt es auf Haltung an.

Plötzlich schnaubt Celly laut, ich erschrecke. Bang schaue ich zur Trainerin, die aber lacht - und sagt: "Celly fühlt sich wohl."

Im Sitzen kurz loslassen, ist kein Problem. Anders sieht es da schon aus, wenn ich das im Stehen tun soll. Ich hocke mich auf den Pferderücken, halte die Schlaufen fest und richte mich auf - mir wird mulmig. Ich könne auch loslassen, ermuntert mich Ulrike Schramm. "Das kann ich nicht!", rufe ich. Versuche mich aber gleichzeitig doch zu überreden, aber drei Meter über der Erde auf der sich bewegenden Turnmatte - da behalte ich die Zügel lieber in der Hand. Ich rutsche zurück in den Reitersitz. Dann probiere ich das "Brett" - quer über dem Pferd liegend, Arme und Beine gestreckt. Auch dafür lasse ich los, fühlte mich aber durchs Aufliegen dennoch sicher.

Und wie geht der Abstieg?

Ulrike Schramm findet es fürs erste Mal gar nicht schlecht, gönnt mir und Celly ein paar Runden in verschiedenen Geschwindigkeiten.

Dann sagt die Zettweilerin Schramm: "Brrr - steh!" Celly wird langsamer und ich soll absteigen. Äh: Wie soll ich denn absteigen? "Das Bein zur Seite und dann abspringen", sagt Ulrike Schramm. Ich rutsche herunter, lande mit federnden Knien auf den Füßen - und endlich habe ich mit diesem Sprung wirklich und wörtlich voltigiert. Denn die Bezeichnung Voltigieren kommt vom lateinischen "volte sive giri", was übersetzt werden kann mit: Sprung oder Umdrehung. Ein Andenken habe ich übrigens auch mitgenommen: Drei Tage währender Muskelkater, der mich daran erinnerte, öfter mal Sport zu treiben.

Adressen von Vereinen, die Reitsport anbieten, gibt es beim Kreissportbund, Adolf-Damaschke-Platz 1, 06618 Naumburg, Telefon: 03445 / 77 58 29, E-Mail:

[email protected]