"Brandgefährlich" Markus Nierth Ex-Bürgermeister von Tröglitz bringt Buch "Brandgefährlich" heraus

Elsteraue - Knapp eineinhalb Jahre nach dem Brandanschlag auf eine bezugsfertige Asylunterkunft in Tröglitz hat der frühere Ortsbürgermeister Markus Nierth seine Erlebnisse in einem Buch verarbeitet. In „Brandgefährlich - Wie das Schweigen der Mitte die Rechten stark macht“ rekapituliert er seine Gedanken und Lehren rund um die NPD-geführten Proteste, seinen Rücktritt und den Anschlag.
„Mit meinem heutigen Wissen würde ich deutlich eher klare Grenzen benennen“, sagte der 47-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Es sei zwar wichtig, verständnisvoll zu sein und alle Menschen abzuholen. „Aber gerade gegenüber denen, die unbelehrbar sind und die Hass streuen wollen, muss man früh Kante zeigen und widersprechen.“
Schockiert von den Wahlerfolgen der AfD
Diese Einsicht passe auch in die aktuelle politische Debatte nach den Wahlerfolgen der rechtspopulistischen AfD. „Es ist schockierend, dass es die AfD geschafft hat, einen wirklichen Rechtsruck in der politischen Diskussion zu erreichen. Man läuft denen nach, die laut schreien, obwohl sie letztlich nur etwa 20 Prozent hinter sich vereinen und vergisst die anderen 80 Prozent.“
Er selbst wünsche sich eine neue Vermittlung von Werten, sagte der Theologe, der heute als Trauerredner arbeitet. Weil humanistische Werte fehlten und viele Menschen unzufrieden und orientierungslos seien, gelinge es der AfD, sich auszubreiten. Die Partei führe in ihrer Logik den Zeitgeist aus Egoismus und Verantwortungsscheu fort. „Von dem Gefühl eines egozentrischen „Ich zuerst“ ist es dann nicht mehr weit zu „Mein Volk zuerst“.“
Markus Nierth vermisst klare Positionen
Der Gedanke der Mitmenschlichkeit werde immer weiter zurückgedrängt, weil sich jeder selbst der nächste sein solle. „Und in dem Schweigen der Mehrheit, diesem Instinkt des Ruhehabenwollens, darin sehe ich eine große Gefahr.“ Nicht nur die Parteien, auch die Zivilgesellschaft müssten aktiv werden und Positionen beziehen.
In seinem seit Mittwoch erhältlichen Buch beschreibt Nierth zusammen mit der Journalistin Juliane Streich, wie sich lange vor dem ereignisreichen Frühjahr 2015 die Stimmung in dem kleinen Ort im Burgenlandkreis aufheizte. Gerüchte verbreiteten sich, lange bevor es offizielle Informationen gab. Die rechtsextreme NPD engagierte sich und konnte die Stimmung nutzen. Nierth beschreibt, wie er versuchte, die Wogen zu glätten, Berufspolitiker dazu zu bewegen, mit Informationen gegen die Gerüchte anzugehen.
Familie Nierth will in Tröglitz bleiben
Er habe sich alleingelassen gefühlt, klagt er noch heute. Als der Landkreis im März vorigen Jahres eine Demoroute direkt an seiner Haustür entlang erlaubte, angeführt von der NPD, trat Nierth zurück. Einen Monat später brannte das Haus, das für 40 Flüchtlinge vorgesehen war. Der Ex-Bürgermeister erhob weiter die Stimme, engagierte sich für die ersten eintreffenden Flüchtlinge.
Bei diesem Engagement will er es belassen. In Tröglitz. Der Familienrat habe nach all den strapaziösen Monaten über einen Umzug nach Leipzig abgestimmt, erzählte Nierth. Die Familie habe sich für das Bleiben entschieden. „Wir halten es aus und wir kämpfen“, sagte er. Deshalb habe er auch das Buch geschrieben. Er wolle nicht schweigen. „Mir wurde auch eine politische Kandidatur angetragen“, ergänzte der 47-Jährige. „Aber das kommt für mich im Moment nicht infrage.“ (dpa)