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Kindeswohlgefährdung Kindeswohlgefährdung: Warum nehmen Verdachtsfälle im Burgenlandkreis so dramatisch zu?

Von Meike Ruppe-Schmidt 08.08.2018, 08:00
Viele Kinder sind körperlichen Misshandlungen schutzlos ausgeliefert.
Viele Kinder sind körperlichen Misshandlungen schutzlos ausgeliefert. Imago

Zeitz - Die Zahlen schockieren. Die Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung in Sachsen-Anhalt sind 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 35,6 Prozent gestiegen. Das gab das Statistische Landesamt in Halle jetzt bekannt. Demnach erhöhte sich die Anzahl um 910 Fälle auf 3467. Brisant: Fast ein Drittel der betroffenen Kinder lebt laut Statistik in der Landeshauptstadt Magdeburg und im Burgenlandkreis.

Laut der Behörde liegt eine Kindeswohlgefährdung dann vor, „wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls einer minderjährigen Person bereits eingetreten ist oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist und diese Situation vom Sorgeberechtigten nicht abgewendet wird oder werden kann.“

Kindeswohlgefährdung: Warum hat Anzahl der Verdachtsfälle gerade im Burgenlandkreis so dramatisch zugenommen?

Worte, hinter denen oft ein Leidensweg steht, der von außen nur schwer zu ermessen ist. Warum die Anzahl der Verdachtsfälle gerade im Burgenlandkreis so dramatisch zugenommen hat? „Zum einen besteht ein enger Zusammenhang zwischen einem Anstieg von Drogenkonsum und Kindes-Vernachlässigung“, sagt Kerstin Wilke, persönliche Referentin des Landrats. „Zum anderen ist die Sensibilität der Bürger aufgrund der medialen Berichterstattung über das Thema gestiegen. Das führt dazu, dass mehr Anzeigen beim Jugendamt eingehen als früher.“

Weiterhin weist Wilke darauf hin, dass die erfassten Zahlen nur jene Fälle widerspiegeln, die von den einzelnen Jugendämtern erfasst und bearbeitet wurden. Das unterscheide sich jedoch stark aufgrund der unterschiedlichen Personalbesetzung in den Ämtern der jeweiligen Landkreise.

Kindeswohlgefährdung: Im Burgenlandkreis waren es 514 Mitteilungen

Im Burgenlandkreis waren es demnach 514 Mitteilungen, die vom Jugendamt aufgenommen und geprüft wurden. Das sind 110 Fälle mehr als im vergangenen Jahr. Aus der Statistik geht hervor, dass davon 205 Fälle (40 Prozent) als akute beziehungsweise latente Kindeswohlgefährdung bewertet wurden. In 170 Fällen (33 Prozent) wurde zwar keine Gefährdung für das Kindswohl gesehen.

Trotzdem zeigte sich im Prüfungsprozess die Notwendigkeit von Hilfestellung bei der Erziehung. In 139 Fällen (27 Prozent) bestand kein Handlungsbedarf. Zu konkreten Gefährdungen zählten Vernachlässigung, körperliche und psychische Misshandlung sowie sexuelle Gewalt.

Kindeswohlgefährdung: Es muss eine förmliche Anzeige mit konkreten Ansatzpunkten geben

Konkrete Hinweise dazu gingen meist von Polizei und Staatsanwaltschaft, Schulen, Bekannten, Verwandten oder Nachbarn sowie anonym ein. „Damit das Jugendamt einem Verdacht überhaupt nachgeht, muss es eine förmliche Anzeige mit konkreten Ansatzpunkten und einer erkennbaren Ernsthaftigkeit geben“, erklärt Wilke. Nach Eingang der Meldung setzt ein Fachverfahren ein, in dessen Rahmen die Gefährdungslage des Kindes geprüft wird.

„Zunächst gehen Sozialarbeiter den Hinweisen vor Ort nach. In weiteren Phasen kommt es unter anderem zu Gesprächen mit den Betroffenen sowie einer Einschätzung der persönlichen Lebenswelt des Kindes.“ Am Ende des Verfahrens wird über die jeweiligen Interventionsmaßnahmen entschieden. „Diese reichen von einem Schutzkonzept mit und ohne Hilfe bis hin zur Inobhutnahme des Minderjährigen.“

Trennung von Eltern und Kind als letzten Schritt

Über eine endgültige Trennung von Eltern und Kind als letzten Schritt entscheidet allerdings ein Gerichtsverfahren. Wilke: „Das moderne Sozialleistungsrecht will die Förderung der Kinder und deren Schutz sichern und unterstützt dabei die Familie als primären Ort des Aufwachsens.“ So haben Eltern einen Anspruch auf Erziehungshilfe, falls das Wohl des Kindes nicht gewährleistet ist. Problem: Das führt für die Jugendämter jedoch zu einem unauflösbaren Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle, wenn der elterliche Wille den als notwendig erachteten Unterstützungsleistungen durch das Amt entgegensteht.

„Dass dieses Spannungsfeld nicht immer angemessen gehandhabt worden ist, haben verschiedene Kinderschutzfälle im Bundesgebiet mit tödlichem Ausgang gezeigt.“

››Jugendamt Burgenlandkreis, Telefon: 03445/ 731311, E-Mail: [email protected] (mz)