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In Vino Veritas  In Vino Veritas : Neustart komplett

Von Wolf-Dietrich Balzereit 12.12.2016, 10:25
Gerd Wölbling in seinem Weinberg.
Gerd Wölbling in seinem Weinberg. Biel

Ein Zufallsabstecher im Frühsommer nach Weischütz ließ mich erfreut zur Kenntnis nehmen, dass im Weingut Wölbling wieder die Tore geöffnet waren. Die Einrichtung war spärlich, die ausgeschenkten Weine stammten von der Naumburger Weinbaugesellschaft – aber ich sah bei Gerd Wölbling ein erleichtertes Strahlen in den Augen; kein überschwänglich leuchtendes, aber ein tief zufriedenes, dass er wieder hinterm Tresen stand und Weinfreunde bediente. Am Eingang stand aber nicht mehr Weingut Wölbling, sondern Weingut Köhler-Wölbling. Kein stiller Teilhaber hatte investiert, Frau Köhler ist die neue Frau an Wölblings Seite.

Ausbildung nachgeholt

Die letzte Ehe war krachend und alles andere als geräuschlos gescheitert. Wölblings inzwischen Ex-Frau stand als Chefin in den Büchern und verkaufte nach der Trennung alles. Nahezu restlos. Mobiliar, Technik, Tanks, Fässer; die Trauben gingen ans Landesweingut. Das zu erzählen, ist keine voyeuristische Ausschmückung der Geschichte, sie ist Grundvoraussetzung zum Verständnis des Neustarts. Daher auch keine weiteren Details. Den sich hinziehenden Scheidungsprozess nutzte Wölbing zur Weiterbildung. Der einstige Weinbau-Seiteneinsteiger holte an der Fachschule Bad Kreuznach eine Ausbildung nach. Sah sich in vielem, was er bislang in den Rebzeilen und im Keller instinktiv und durch Tipps von Kollegen gehandhabt hatte, bestätigt, sog aber auch viele Anregungen auf.

Die Weinberge, und mit knapp zehn Hektar ist das eine beachtliche Fläche, habe ich mir in diesem Jahr mehrfach angeschaut, und sie befanden sich stets in einem sehr gepflegten Zustand. Das war freilich Wölblings kleinstes Problem, hier blühte er auf, wurde die Brust wieder frei. Ein ganz anderer Kraftakt war die Neuaufstellung des Kellers. Hier musste alles neu angeschafft werden. Doch, wie Gerd Wölbling es selbst sieht, hat er den alten Zustand wieder hergestellt. Was dafür spricht, dass er mit seinem alten Keller-Management sehr zufrieden war.

In den letzten Tagen hat Wölbling gerodet. Kernling raus, Müller-Thurgau rein. Einige seiner Flächen waren immer wieder vom Frost getroffen worden. Kernling wird nicht komplett verschwinden, nur die Gewichtung des Portfolios wird leicht verändert. Experimente sind jetzt nicht Wölblings Ding, und auch die Ausbildung an der Nahe hat da nichts geändert. Traditionelle Rebsorten, traditioneller Ausbau. Also stand über der Wiedereinrichtung für den Wieder-Winzer immer die Frage: Was willst du produzieren? Und so wird es weder Piwis bei Wölbling geben, noch Spontanvergärung oder Orangeweine.

So ist, was Wölbling vom 2016er schon auf dem Markt hat, auch sehr bodenständig. Gutedel, Bacchus, Müller-Thurgau und, natürlich, Kernling – allesamt trocken ausgebaut; dazu als kleiner Kompromiss an breite Geschmacks-Vorlieben, einen fruchtigen Bacchus und einen feinherben Kernling.

Wenn der Laden wieder läuft, will er sich aber offenhalten, in kleinen Nischen doch das eine oder andere auszuprobieren. Was genau, da steht er, auch mit seiner den ganzen Prozess sehr hilfreich begleitenden Frau noch im Austausch.

Dass es überhaupt wieder Wölbling-Weine gibt, hängt mit der Scheidung zusammen, denn mit dem Vollzug selbiger fielen die Weinberge wieder an Gerd Wölbling, die er mit in die gescheiterte Ehe eingebracht hatte, da sie seiner Familie gehörten. Und die Trauben werden, anders als früher, komplett in Wölbling-Flaschen landen.

Früher hatte man einen Vertrag mit dem Landesweingut, der sichere Einnahmen bot. Doch das will Wölbling nicht mehr. Ein ehrgeiziges Vorhaben. Denn diese Flaschen wollen alle auch verkauft werden, und das lief zu großen Teilen über den Gutshof. Der 2016er Jahrgang, sein Comebacker, meinte es gut mit ihm. Was da in den Tanks blubbert, lässt Wölbling noch mehr strahlen: „Ein toller Jahrgang, vielleicht sogar mein bester“.

Unter Kollegen

Dem Weingut Köhler-Wölbling kann man nur die Daumen drücken, unter diesen alles andere als leichten Umständen den zweiten Versuch glücklich durchzuziehen. Doch da ist Gerd Wölbling zuversichtlich: „Die Kollegen sind natürlich jetzt wieder Mitbewerber, doch die Kollegialität ist, so mein Eindruck, auch nachdem ich andere Regionen kennengelernt habe, an Saale und Unstrut deutlich besser als anderswo. Und das macht Mut“.