Glaube Glaube: Holländischer Freund predigt

Kirchscheidungen - Seit über 40 Jahren feiert die Kirchengemeinde Kirchscheidungen ihr Sommerfest. Die Programmpunkte der Feierlichkeiten sind fast immer gleich und doch immer wieder anders. In diesem Jahr stand die Veranstaltung ganz im Zeichen des Gedenkens an Oskar Brüsewitz. Die Selbstverbrennung des Rippichaer Pfarrers in Zeitz jährt sich am 18. August zum 40. Mal. Für den Kirchscheidunger Kirchenältesten, Martin Reschke, war dies ein Grund, das Gemeindefest diesem Thema zu widmen.
Reschke: „Nicht unbeachtet lassen“
Brüsewitz hatte sich gegenüber der Michaeliskirche im Stadtzentrum von Zeitz aus Protest gegen die kommunistische Bildungspolitik der SED und die Einmischung der Partei in Kirchenfragen sowie gegen die Kirche selbst und deren Haltung zum DDR-Staat verbrannt. Vier Tage später erlag der 47-Jährige seinen schweren Verletzungen. „Ich und die anderen fünf Kirchenältesten fanden es wichtig, an den Tod zu erinnern und die Verzweiflungstat des unerschrockenen Pfarrers, der auf tragische Weise Geschichte schrieb, nicht unbeachtet an uns vorübergehen zu lassen“, sagte Reschke. Auch heute sei Zivilcourage notwendig.
Bereits vor zwölf Monaten hatte Reschke als Hauptorganisator mit den Vorbereitungen begonnen, um das Fest als zentralen Ort der Begegnung würdig zu gestalten. Weit offen stand die Tür der Johanniskirche allen Gästen, gleich welchen Glaubens. Mit einem Filmausschnitt aus „Der Störenfried - Ermittlungen zu Oskar Brüsewitz“ von Thomas Frickel aus dem Jahr 1992 begann der Nachmittag im Gotteshaus, dem eine Podiumsdiskussion über die Rollen von Oskar Brüsewitz folgte.
An der von Pfarrer Daniel Schilling-Schön moderierten Runde nahmen unter anderem teil Pfarrer Klaus-Reiner Latk, der die Westmedien über Brüsewitz informiert hatte, und Helmut Matthies. Der Journalist ist Leiter der evangelischen Nachrichtenagentur und hat sich intensiv mit Brüsewitz beschäftigt. Weitere Gesprächspartner waren Superintendentin Ingrid Sobottka-Wermke und der Zeitzer Pfarrer Werner Köppen.
Zum Höhepunkt der traditionellen Gemeindefeier gestaltete sich der Festgottesdienst. Der holländische Pfarrer Menko Biewenga, ein Freund Reschkes, hielt die Predigt, die das Thema Brüsewitz zum Inhalt hatte. Mit dem gemeinsamen Gesang von „Himmel, Erde, Luft und Meer“, dem Lieblingslied von Brüsewitz „So nimm denn meine Hand“ sowie Psalmgebeten wurde auf die Andacht eingestimmt. Die Fakten über die Selbsttötung des Pfarrers seien klar. Doch nur wenige würden sich noch an die Vorgänge erinnern, sagte Biewenga in seiner Predigt. „Sie sind es jedoch wert, sich an den mutigen Pfarrer zu erinnern. Durch seine Kompromisslosigkeit wurde Brüsewitz schnell zum Außenseiter in Staat und Kirche, ein Verrückter war er jedoch nicht“, so Biewenga. Bereits kurz nach der Tat habe die DDR-Regierung versucht, das Geschehene zu verharmlosen. Die Kirche habe sich geweigert, dies ebenfalls zu tun. „Wir wollen nicht nur zurückschauen. Das ist zu wenig, zu leicht, zu bequem. Die Tat stellt Fragen an uns, an unseren Glauben. Was ist uns am Wichtigsten“, fragte Biewenga in die Runde.
Für Brüsewitz sei es in dem Moment das Gebot der Stunde gewesen. Er habe die Stimme Gottes gehört und musste darauf antworten. Er habe sich entschieden, Jesus zu folgen. Der Pfarrer zitierte aus dem Matthäusevangelium: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt, und mir folgen will, ist sein Leben nicht wert.“ In seinem Abschiedsbrief, so erwähnte Biewenga, betonte Brüsewitz, nicht Selbstmord begangen, sondern als berufener Zeuge einen Sendungsauftrag erfüllt zu haben. Er klagte über den „scheinbaren tiefen Frieden, der auch in die Christenheit eingedrungen“ sei, während „zwischen Licht und Finsternis ein mächtiger Krieg“ tobe. Natürlich sei er froh, so Biewenga weiter, dass er in einem freien Land lebe. Aber auch heute noch tobe Krieg. Doch er kenne eine Wirklichkeit, die weiter reiche als dieses Leben. Er zitierte aus Matthäus: „Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren, wer sein Leben verliert, wird es finden.“
Chorkonzert und Folk-Rock-Duo
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Chor „A capella“ sowie vom Organisten Robert Müller. Zwischen den einzelnen Angeboten wurde auf dem Kirchberg gefeiert. Die Frauen der Kirchengemeinde hatten leckeren Kuchen für die Kaffeetafel unter der 477 Jahre alten Linde gebacken und Salate zu den Steaks und Rostbratwürsten bereitet. Ab 20 Uhr kamen die Freunde der Chor- und Orgelmusik auf ihre Kosten, als der Lindenchor und „A capella“ auftraten.
Zum Abschluss des Gemeindefests war das Duo Andreas Schirneck und Wolfgang Keune in der Kirche mit handgemachter Folk-Rock-Musik zu hören.
