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Denksport Denksport: Spätstarter setzt die Gegner schachmatt

Von JULIA REINARD 03.02.2011, 20:11

PRITTITZ/WEISSENFELS/MZ. - Ein ruhiger Junge: Joey Deutsch sitzt still, sein Arm liegt am Kinn. Er hat Training. Aufmerksam mustert er das Schachbrett vor sich auf dem Tisch: Schwarze und weiße Figuren sind auf einigen der 64 Felder verteilt. Ohne Hektik greift er nach dem Springer und setzt ihn in einer geschmeidigen Bewegung zwei Kästchen vorwärts und eines zur Seite. Dann streicht er mit der Hand die dunklen Haare aus der Stirn, lehnt sich zurück und schaut den Jungen, der ihm gegenübersitzt und der nun am Zug ist, an.

Joey Deutsch ist fünf Jahre älter als sein Gegenüber, aber er trainiert immer erst mit den Kleinen und dann mit den Erwachsenen: "Drei Stunden bin ich jeden Freitag hier." Dass er gleichzeitig die Grundlagen trainiert und gegen die Erfahrenen Partien bestreitet, gehört zur außergewöhnlichen Geschichte des Prittitzers. Er lernte nämlich erst vor vier Jahren Schach zu spielen, seit zweieinhalb Jahren trainiert er im Schachklub Weißenfels. Und das sehr erfolgreich: Zuletzt gewann der 16-Jährige die Bezirksmeisterschaft der unter 18-Jährigen. Jetzt geht es am 9. Februar zur Landesmeisterschaft nach Güntersberge (Harz). Und bei der will er mindestens Fünfter werden. Höher pokert er nicht: "Landesmeister werde ich bestimmt nicht."

Der Abiturient ist Realist. Wenn man ihn fragt, was er sich für die sportliche Zukunft vorgenommen hat, sagt er, er wolle seine DWZ - die Deutsche Wertungszahl - auf 1 600 Punkte verbessern. Um das zu schaffen, muss er möglichst viele Partien gewinnen, vor allem Begegnungen mit Schwächeren sollte er für sich entscheiden, denn die DWZ des Gegners hat Einfluss

auf die Berechnung der eigenen. Wenn man den Gymnasiasten aber nach der Zukunft im Allgemeinen fragt, dann sieht er jenseits des Sports ebenfalls eine Menge Aufgaben.

So nimmt ihn das Abitur zurzeit ziemlich in Anspruch. Deutsch besucht die elfte Klasse des Goethe-Gymnasiums Weißenfels, da er schon mit fünf Jahren eingeschult wurde. Allerdings nicht, weil er ein Überflieger war, sondern weil ihm der Kindergarten nicht gefallen habe, wie er schmunzelnd erzählt. In der Freizeit, die noch bleibt, schaut er sich Filme an oder chattet mit Freunden.

Einer Freundin hat er auch seine Begegnung mit dem Schachverein zu verdanken. Die überredete ihn nämlich vor zweieinhalb Jahren, zur offenen Stadtmeisterschaft von Weißenfels zu gehen. Sie köderte ihn mit dem Versprechen selbst teilzunehmen. Am Ende habe sie jedoch gekniffen und er mitgemacht. Er hat sich offenbar beachtlich geschlagen, denn Frank Kister bot ihm anschließend an, im Verein zu trainieren.

In dem kümmert sich Wolfgang Locker um die junge Garde. Er sagt: "Am Anfang war Joey noch nicht so stark, aber er hat sich rasant entwickelt." Das liegt auch an seinem Engagement außerhalb des Trainings: Zu Hause setzt er sich hin und liest sich Taktiken an. Insbesondere der Schacherneuerer Aaron Nimzowitsch hat es ihm angetan. Der Lette gilt als Querdenker, was der Grund sein könnte für Joey Deutschs Begeisterung: "Ich verstehe seine Vorschläge besser als andere Regeln."

Ein altes Schachbuch war im Grunde auch sein erster Mentor. Zwar brachte ihm der Großvater die Regeln des Spiels bei, aber erst, nachdem der Enkel ein altes Schachbuch gefunden und "verschlungen" hatte, wie er sagt, besiegte er seinen Großvater, später auch seinen Vater. Und mittlerweile tritt zu Hause keiner mehr ernsthaft gegen ihn an - der Junge gewinnt einfach immer.