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Brückenabriss in Nebra Brückenabriss in Nebra: Zeitkapsel neben Sektflasche

Von Gisela Jäger 29.08.2018, 07:35
Im Schutt des Widerlagers am linken Ufer der Unstrut in Nebra lag die Zeitkapsel. Sie wurde beim Abriss der alten Brücke gefunden.
Im Schutt des Widerlagers am linken Ufer der Unstrut in Nebra lag die Zeitkapsel. Sie wurde beim Abriss der alten Brücke gefunden. Gisela Jäger

Nebra - Am vergangenen Freitag um die Mittagszeit erreichte Nebras Bürgermeisterin Antje Scheschinski ein dringender Anruf. Sie solle zur Abrissbaustelle der Nebraer Unstrutbrücke kommen, es wurde etwas im Schutt des Brückenwiderlagers gefunden. „Ich war ziemlich gespannt, was das sein sollte“, so die Bürgermeisterin. Kurze Zeit später war klar: Die Bauarbeiter Marco Bauer und Uwe Schiller der Abbruchspezialfirma Todte aus Teuchern, die im Auftrag des Hauptauftragnehmers Lauchaer Meliorations-, Straßen und Tiefbau GmbH tätig ist, hatten eine gut verlötete zylindrische Zeitkapsel aus Kupfer, etwa 40 Zentimeter hoch und 15 Zentimeter im Durchmesser, gefunden und bereits geöffnet.

„Monopole“ aus Freyburg

Neben Schriftstücken von 1886 fand in der Kartusche eine Flasche Sekt Platz. Durch die Erschütterungen am Pfeiler mit dem Hydraulikhammer hatte sich der Verschluss gelockert und die Papiere zum Teil durchnässt. Dennoch zeigte sich auf den ersten Blick, dass alle Papiere in sehr gutem Zustand sind. Der Inhalt der über 130 Jahre alten Sektflasche hinterließ aber einen recht penetranten Geruch. „Ich habe darum später die Schriftstücke im Freien getrocknet, der Geruch war schon recht übel“, so die Bürgermeisterin.

Der besagten Sektflasche fehlt zwar das Etikett, doch die intakte Manschette über dem Korken zeigt, dass es sich um die Marke „Monopole“ des Freyburger Sekt-herstellers Kloss und Foerster, gegründet 1856, handelt. Und zu lesen ist auch neben einem Siegel „Inhaber der großen Staatsmedaille in Gold für gewerbliche Leistungen“, also ein damals preisgekröntes Qualitätsprodukt. „Aber noch weitaus interessanter sind die Zeitdokumente“, die Antje Scheschinski zunächst im Überblick vorstellen konnte. Es fanden sich ein Querfurter Kreisblatt, ein Naumburger Kreisblatt, ein Querfurter Unterhaltungsblatt, ein Amtsblatt der königlichen Regierung in Merseburg vom 10. und 11. September 1886, eine Werbeschrift für Pflanzen, die Reichsgesetzblätter Nummer 28 und 29, eine königlich-preußische Gesetzsammlung Nummer 32, ein Heft „Statistische Darstellung des Kreises Querfurt“, alles Druckerzeugnisse in der Kapsel.

Außerdem lagen handschriftliche und zum Teil mit Siegel und Beglaubigung verfasste Aufzeichnungen in dem Behältnis. Vieles davon stammt vom Landadel, darunter von der in Zingst ansässigen Familie von Helldorff, eine Beschreibung des Ritterguts Nebra mit Birkigt und Wippach, eine wirtschaftliche Aufstellung über die landwirtschaftlichen Nutzflächen von Georg Heinrich von Helldorff und was darauf angebaut wurde, eine Beschreibung der „Gemeinde Nebra“ und weitere Urkunden.

Beglaubigte Urkunde

Auch der Bürgermeister und weitere Teilnehmer der Brückengrundsteinlegung vom 11. September 1886 sind in einer Urkunde mit Unterschrift und Beglaubigung durch das preußisch-königliche Amtsgericht Nebra überliefert und vieles mehr. In deutscher Schreibschrift von verschiedenen Personen, unter anderem Buchhaltern verfasst, bedarf es allerdings schriftenkundiger Hilfe, um sämtliche Texte in heute für jedermann lesbare Schrift zu übertragen. „Das wird wohl einige Zeit in Anspruch nehmen“, meinte Antje Scheschinski angesichts des wahrlich sehr erstaunlichen Umfangs der Papiere.

Bürgermeisterin dankt

Immerhin fand sich auch der in der Nebraer Chronik erwähnte Brief von Bernhard Münchow, damals der für den Brückenbau verantwortliche königliche Regierungsbaumeister. Soweit zu lesen war, schreibt er: Nebra, den 11. September 1886: „An meinen verehrten zukünftigen Kollegen! Grüß Gott Kollege, ich bringe Dir diesen Gruß vom freundlichen Unstruttale.“

Antje Scheschinski nutzte nach einer ersten Vorstellung des wertvollen Fundes die Gelegenheit, den beiden Bauarbeitern mit einer Kiste Nebraer Wein ein großes Dankeschön zu sagen, deren Umsicht und Aufmerksamkeit bei den Abbrucharbeiten zu verdanken ist, dass ein Stück Nebraer Geschichte vom September 1886 erhalten und nun in Nebras Chronik einfließen wird.