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Advent in Naumburg Advent in Naumburg: Stiefel aus dem Konsum

Von Klaus-Dieter Kramer 23.12.2018, 09:19
Weihnachten 1952 in Naumburg: Klaus-Dieter Kramer, der Autor dieses Beitrages, war damals noch ein Kind und wurde während der Kinderweihnachtsfeier des Naumburger Schäferhunde-Vereins beschenkt.
Weihnachten 1952 in Naumburg: Klaus-Dieter Kramer, der Autor dieses Beitrages, war damals noch ein Kind und wurde während der Kinderweihnachtsfeier des Naumburger Schäferhunde-Vereins beschenkt. Kramer

Naumburg - Der Fachkräftemangel hat wohl nun auch die Weihnachtsmann-Gilde erfasst. Arbeitsagenturen können die Wünsche nach Vermittlung der bärtigen Gesellen nicht mehr alle erfüllen. Doch wie war das früher, vor etwa 65 Jahren in der eigenen Kindheit? Mit dieser Frage gehen die Erinnerungen spazieren.

Ja, in den Jahren 1952, da war ich erst fünf, und 1953 hatte ich durchaus die Begegnung mit einem echten Weihnachtsmann. Alte Familienfotos können das belegen. Da überreichte er mir zur Adventszeit bei der Kinder-Weihnachtsfeier des Schäferhunde-Vereins, die im Saal der Gaststätte „Alt-Naumburg“ stattfand, ein Geschenk. Das nach Hause zu tragen, bedurfte keines weiten Weges: Wir wohnten damals im Haus direkt gegenüber in der Jakobsgasse. Am Heiligabend aber war das ganz anders.

„Geht mit dem Vati noch mal ein Stündchen in die Stadt und schaut euch Schaufenster und Weihnachtsschmuck an“, sagte da meine Mutter zu meiner Schwester und zu mir. Klar, ein Blick ins Schaufenster von Eisenwaren-Rinke am Markt lockte zu jener Zeit besonders. Denn dort wurden auch Modelleisenbahnen verkauft, und die ausgestellte Lokomotive mit den zwei oder drei Waggons im Schlepp ließen mich immer wieder die Nase an der Schaufensterscheibe platt drücken. Nach Hause zurückgekehrt, zog sich meine Mutter in diesem Moment die Kittelschürze aus. „Bin eben fertig geworden, Gott sei Dank“, sagte sie. Und: „Der Weihnachtsmann war auch gerade da, hat euch etwas unter dem Weihnachtsbaum zurückgelassen.“ Bedanken konnte ich mich damals natürlich nicht, durfte das im nächsten Jahre aber doch direkt bei ihm tun.

Da kam er nämlich zu uns in die Jakobsgasse. So, wie er heute noch leibhaftig beschrieben wird: Roter weiter Mantel, wallender weißer Bart, Stiefel, die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Beim Näherkommen ging von ihm noch der Geruch einer Casino- oder Turf-Zigarette aus, wehte eine Atemfahne von Hochprozentigem herüber. Traditionell verlief die Geschenkzeremonie mit einem Weihnachtsgedicht, doch ohne den üblichen angedrohten Einsatz der Rute. Der Weihnachtsmann verabschiedete sich nach getaner Arbeit wieder. Eine Viertelstunde später kam überraschend ein weiterer Besucher.

Onkel Kurt, sonst selten bei uns zu Gast, erschien auf der Bildfläche. Mein Vater hat ihm sofort ein „Körnchen“ eingeschenkt und eine Casino angeboten. Was mir damals aber spanisch vorkam: Onkel Kurt hatte Stiefel von derselben Bauart an den Füßen, mit denen der Weihnachtsmann unterwegs war. Sollten beide etwa im Konsum-Geschäft das gleiche Sonderangebot genutzt und sich dort sogar persönlich begegnet sein? Diese Frage wurde nie gestellt und konnte so nie geklärt werden. Mein Onkel Kurt wäre heute stolze neunzig Jahre alt. Aber er lebt schon seit einigen Jährchen nicht mehr.

››Klaus-Dieter Kramer wohnt

in Naumburg und war viele Jahre Tageblatt/MZ-Redakteur.