Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Unter Blättern klettern
Naumburg/MZ. - Eigentlich sollte es bis zum Schluss geheim bleiben, dass es zu Jonas' Geburtstag in den Saale-Unstrut-Kletterwald nach Naumburg geht. Doch kurz vorher hat es dann doch einer verraten. "Kein Problem - so konnte ich mich wenigstens richtig drauf freuen", findet der Neunjährige aus Draschwitz bei Zeitz, der letzten Sonnabend mit fünf Freunden und seinen Eltern zu den ersten Tagesgästen des Baumspielplatzes gehörte.
"Die Kinder kennen sich seit Jahren. An ihren Geburtstagen unternehmen sie immer etwas Besonderes", erklärt Jonas' Mama Jana Schumann, die zusammen mit den Kids und ihrem Mann André in die Domstadt gekommen ist, um gemeinsam etwas wirklich Ungewöhnliches zu tun: einen Tag in den Bäumen zu verbringen.
Bevor der Abenteuerspaß beginnt, muss jeder genau wissen, wie er sich beim Klettern so verhält, dass er sich und andere nicht in Gefahr bringt oder gar verletzt. Deshalb müssen alle zuerst die Benutzerregeln lesen und unterschreiben. Für Minderjährige tun das die Eltern. Wer schon 14 ist, darf auch alleine in den Kletterwald, muss allerdings eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten mitbringen. In Begleitung Erwachsener können Kinder ab sechs Jahren und 1,20 Meter Körpergröße klettern.
Aus der Eichhörnchen-Perspektive
"Hat jeder Gurt und Helm?" fragt Susan Keil, überzeugt sich davon, dass alle feste und geschlossene Schuhe anhaben und hilft beim Anlegen des Kombi-Gurts, eines Sicherheits-"Geschirrs", zu dem eine Seilrolle und ein Einhandkarabiner gehören. Am Einweisungs-Parcours erklärt die Trainerin, wie man die Ausrüstung korrekt benutzt. "Immer zuerst die Rolle, dann der Haken", mahnt sie.
Hochkonzentriert nimmt Anne die beiden Teile vom Gurt und lässt ihre Verschlüsse nacheinander um das Führungsseil klacken. Halt - da war ein Seil dazwischen! Ja, genau so. Nun kann die Neunjährige die feste Plattform verlassen und über schwebende Balken balancieren, ohne Angst haben zu müssen, herunter zu fallen. Selbst bei einem Fehltritt würden sie die beiden Sicherungsleinen festhalten.
"Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, einen Moment in der Luft zu baumeln", sagt Susan. Wie sich das in etwa anfühlt, erfahren die Kletterer auf der Seilrutsche, auch "Flying Fox" genannt. Bequem im Gurt sitzend, an Leine und Rolle hängend, sausen sie das Drahtseil lang und landen noch vor dem sanften Gummistopper weich im Sand.
Mit Adleraugen wacht das Personal, dass jeder alles richtig macht. "Die Sicherheit der Gäste steht an erster Stelle", so Hagen Engelmann, der Inhaber des Kletterwaldes. "Die Anlage wurde nach neuesten Standards errichtet und vom TÜV Thüringen zertifiziert. Jeder Baum wurde durch Sachverständige geprüft. Ständige Kontrollen und Wartungen sorgen dafür, dass die Sicherheit immer gewährleistet ist", erklärt der 44-Jährige. Früher hat er wie seine Frau im Krankenpflegebereich gearbeitet. Ein Besuch des Kletterwaldes in seiner Heimat Usedom brachte die zündende Idee für die berufliche Selbstständigkeit.
Den passenden Ort dazu fanden die Engelmanns im Naumburger Bürgergarten, einem Stück Natur nahe dem Stadtzentrum. 2008 wurde der kleine Erlebnis-Spiel-Sport-Park eröffnet. Seitdem gehört das knapp 1,5 Hektar große Gelände vom Frühjahr bis zum Herbst zu den beliebtesten Freizeitadressen in der Region.
Nach der praktischen Einweisung auf der weißen, der einfachsten der sechs Strecken, laufen die Kinder aus der Elsteraue zum gelben Parcours, immerhin 3,80 Meter über dem Waldboden. Geburtstagskind Jonas ist der erste, der sich das Führungsseil heranzieht und die Dübelwand nach oben steigt. Umhängen, einhängen - und schon schlurft er über die beiden parallelen Pendelbalken, krabbelt über das "Spinnennetz" und durch eine hängende Röhre. Julian, Leon, Anne, Mario und Nico folgen. Die Eltern haben sich eingereiht und helfen. Auch für sie selber ist die Klettertour nicht "ganz ohne". Schließlich schaut man nicht jeden Tag aus der Eichhörnchen-Perspektive auf die Welt.
Die Crew begleitet das Geschehen vom Boden aus, korrigiert, wenn es mal klemmt oder doch ein bisschen zu viel schaukelt und der eigene Mut für einen Augenblick nicht reicht. "Hier ist viel Psychologie im Spiel", kommentiert Hagen Engelmann, der im Saale-Unstrut-Kletterwald auch Erlebnispädagogik für Schulklassen sowie Teamtraining anbietet.
Für die unerschrockenen Baumwanderer eine Etage weiter höher erweist sich gerade die "Burma Brigde" als echte Herausforderung. Die frei beweglichen Trittbalken, aus denen der "Boden" dieser Hängebrücke besteht, schwingen stets gerade dorthin, wo der Kletterer sie gar nicht braucht. Jeder Schritt ist ein Erfolg. Alle schaffen es. Gewöhnungsbedürftig scheint für viele "Bobby Car" zu sein - ein sitzender Balance-Akt auf einem Spielzeugauto und einer Schiene aus zwei Drahtseilen. Danach wird's wieder relativ easy: Einfache Seile und Balken sind zu überqueren. Abwärts geht es wie auf den anderen Strecken per "Flying Fox".
Während einige Kinder schon wieder an der Dübelwand stehen, um gleich noch einmal "Gelb" zu absolvieren, lockt die anderen der orangene Parcours mit Kletterwand, Über-Fässer-Balancieren und einer ungewöhnlichen Schlittenfahrt in sieben Meter Höhe von Baumkrone zu Baumkrone. Nach der grünen Strecke ist leider Schluss für das Kletterteam aus Draschwitz, denn für "Blau" müssen sie noch etwas wachsen. Das Mindestalter für den schwierigsten Parcours, bei dem es bis zu 13,5 Meter hoch geht, beträgt zwölf Jahre, das minimale Körpermaß 1,50 Meter.
"Etwa zweieinhalb Stunden sollte man für den ganzen Kletterwald mindestens einplanen. Eine Zeitbegrenzung gibt es bei uns allerdings nicht. Da die Eintrittskarten für den ganzen Tag gelten, kann, wer will, so oft und lange klettern, wie Lust und Kräfte reichen", sagt Hagen Engelmann. Für Jonas und seine Freunde heißt es jetzt aber erst mal "Mittagspause". Am Kassenhäuschen, wo es auch Imbiss, Süßigkeiten und Getränke gibt, stärken sich die Jungen und Mädchen für die nächste Kletterrunde.