Buchveröffentlichung Buchveröffentlichung: Der Blick zurück mit etwas Zorn
Magdeburg/MZ. - Politiker im Ruhestand verfallen gern in ein Ritual - sie schreiben ein Buch. Sachsen-Anhalts ehemaliger Bau- und Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU), der 2011 in Rente ging, macht da keine Ausnahme. Oder doch? Daehre hat nicht selber geschrieben, sondern schreiben lassen: in Interviewform von seinem ehemaligen Pressesprecher und einstigen MZ-Journalisten Harald Kreibich. "Im Gespräch mit Karl-Heinz Daehre" heißt das gut 100 Seiten starke Werk, das jetzt im Mitteldeutschen Verlag erscheint.
Dauerzwist mit Bergner
Herausgekommen ist eine Mischung aus sehr persönlichen Erinnerungen an die Kindheit im Bördedorf Langenweddingen sowie einer politischen Rückschau auf die vergangenen 20 Jahre in Sachsen-Anhalt. Und die liest sich durchaus spannend. Denn der Chemiker Daehre, der 1990 wie damals so viele eher zufällig in die Politik wechselte, beschreibt anschaulich eine politisch höchst wechselvolle Zeit.
Dabei spart Daehre nicht mit Kritik: Etwa am CDU-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 1998, Christoph Bergner. Ihm wirft Daehre vor, trotz der Wahlniederlage weitergemacht zu haben, als wäre nichts geschehen, während er selbst als Parteichef zurücktrat. Das Verhältnis zwischen Bergner - heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium - und ihm sei zerrüttet, so Daehre. Werner Münch (CDU), Regierungschef von 1991 bis 1993, habe er zunächst geschätzt. "Man muss aber auch festhalten, dass Münch im Laufe der Zeit doch sehr an Bodenhaftung verloren hat." Man hätte die damalige Gehälteraffäre - an der letztlich die Regierung Münch zerbrach - schnell beenden können, wenn Münch nur gewollt hätte. Aber auch Reinhard Höppner (SPD) bekommt sein Fett weg: Höppner, 1994 zum Ministerpräsidenten gewählt, habe damals eine Große Koalition nie in Erwägung gezogen, sondern nur die Tolerierung durch die damalige PDS. Der Vorschlag der Union, in der Mitte der Wahlperiode von einem CDU- auf einen SPD-Regierungschef zu wechseln, sei bei der SPD nie angekommen.
Besser als Haseloff?
Durchaus deutlich teilt der 67-Jährige auch gegen seinen langjährigen innerparteilichen Kontrahenten, den heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, aus. Dem musste Daehre auch auf Drängen des Parteivorstandes den Vortritt als Spitzenkandidat lassen. Daehre beschreibt zwar sich, wenn er sagt, er besitze die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, pragmatisch und gelassen zu sein. Zu verstehen ist das aber wohl auch als Kritik an Haseloff. Auf die Frage, ob er sich für den besseren Spitzenkandidaten gehalten hätte, antwortet Daehre: "Zumindest haben mir etliche Leute aus dem Lager des politischen Gegners später gesagt, dass sie doch ziemlich erleichtert gewesen seien, dass ich nicht angetreten bin." Man müsse überzeugt sein, die Aufgabe (als Ministerpräsident) vernünftig ausfüllen zu können. Daran zweifelt er nicht: "Mein Selbstbewusstsein reicht aus, um zumindest diese Frage mit einem klaren Ja zu beantworten."